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In acht der zwölf Bezirke werden mehr Bäume gefällt als gepflanzt.

© Mike Wolff

Grünpflege in Berlin: Ein Herz für Bäume

Baumfällungen stoßen bei Bürgern häufig auf Proteste, zugleich mangelt es in Berlin aber am Geld für die Grünpflege. In der City West wird jetzt öffentlich diskutiert, wie man mit diesem Dilemma umgehen kann.

Schätzungsweise 430 000 Straßenbäume gibt es in Berlin – und um diesen hohen Bestand „beneiden uns andere Städte“, sagt Baumschutzexperte Christian Hönig vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Aber die Zahl der Straßenbäume geht seit Jahren zurück, allein von 2005 bis 2011 sank sie um mehr als 10 000. Fällungen führen zu Bürgerprotesten, zugleich mangelt es am Geld für Grünpflege und Pflanzungen. Darüber diskutierten am Donnerstagabend rund 60 Bürger mit Politikern und Naturschützern im Rathaus Charlottenburg.

In der City West gibt es laut amtlichem Kataster 43 777 Straßenbäume. Die BUND-Statistik weist seit 2005 ein Minus von 2654 Gewächsen aus. Bald sollen 200 hinzukommen – im Rahmen der „Stadtbaumoffensive“ des Senats, die berlinweit 10 000 Neupflanzungen vorsieht und eine Forderung des BUND erfüllt. Für weitere Bäume können Bürger spenden. Doch damit sind die Probleme bei der Pflege nicht gelöst.

Grünflächenamtsleiterin Dagmar Elbrandt sagte, von 24 Mitarbeitern der zuständigen Inspektion könnten nur vier Bäume kontrollieren oder Fremdfirmen dabei begleiten. Für Baumarbeiten habe man sechs Mitarbeiter. Das Durchschnittsalter liege bei 50 Jahren. „Wir müssen jedes Mal um den Grünpflegeetat kämpfen“, sagte Baustadtrat Marc Schulte (SPD). Formal handele es sich um „keine Pflichtaufgabe“. So komme es, dass man vom Senat etwa für die Schlaglochbeseitigung auf Straßen drei Millionen Euro erhalte, während die 200 neuen Bäume nur 200 000 Euro kosteten.

BUND-Experte Hönig war sich mit Bürgern einig darin, dass viele Bäume zu stark beschnitten würden, um herabfallendes Totholz zu vermeiden: „Der radikale Rückschnitt wird immer als alternativlos dargestellt, hat aber ökonomische Gründe.“ Schonendere Methoden seien teurer.

Hartwig Berger, Leiter des Naturschutzzentrums Ökowerk am Teufelssee, forderte „härtere Sanktionen gegen Bauherren, die Bäume schädigen“. Denn oft verstopfen Schutt und Baumaterial die Baumscheiben. Darüber ärgerten sich auch die Bezirksamtsvertreter, doch nach ihren Worten weisen Investoren die Schuld stets von sich. Verantwortliche Baufirmen zu ermitteln, sei dann schwierig und dauere lange.

Prüfen will Stadtrat Schulte den Vorschlag von Naturschützern, Ordnungsamtsmitarbeiter durch Streifengänge mit Umweltfachleuten zu schulen und für die Grünpflege zu sensibilisieren. Dabei könnte es zum Beispiel um Falschparker gehen, die Autos auf Baumscheiben parken. Auch an den Stämmen angeschlossene Fahrräder und der Urin von Hunden zählen zu den Faktoren, die Bäumen das Leben schwer machen. Außerdem seien viele Baumscheiben zu klein, kritisierten Bürger.

Unterschiedliche Meinungen gab es zur Frage, ob die öffentlichen Informationen des Bezirks ausreichen. Dessen Webseite listet Fällungen und Neupflanzungen auf. Außerdem sollen bei der Abholzung mehrerer Bäume Flyer verteilt werden. Letzteres hat am Klausenerplatz, wo zur Verärgerung von Anwohnern soeben drei Pappeln gefällt wurden, jedoch nicht geklappt. Laut Elbrandt waren die Pappeln von Schädlingen befallen. Sie betonte, ihr Amt nehme Fällungen und Beschnitte „nicht nach Gutdünken“ vor, sondern aus Gründen der Verkehrssicherung.

Mehr Bäume seien gar nicht überall sinnvoll, fügte Dagmar Elbrandt hinzu. In manchen Straßen sei früher durch enge Bepflanzung „zuviel des Guten getan“ worden, Bäume behinderten sich gegenseitig in ihrer Entwicklung und „wachsen sich tot“.

In Zukunft will das Ökowerk gemeinsam mit dem Bezirk alle sechs Monate zu weiteren Diskussionen über den Baumschutz einladen.

Informationen des BUND, des Senats und des Bezirks unter

www.baeume-fuer-berlin.de

www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/stadtgruen/stadtbaeume

www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/org/gruenflaechen/baumfaellungen.html

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