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Foto: p-a/Paul Glaser

© picture alliance / ZB

Berlin: Grusel im Grünen

Erst renovieren, dann aufmarschieren: Frühere DDR-Militärs treffen sich bei Berlin.

Strausberg - Schüsse peitschen durchs Gelände. Jemand ruft ein Kommando. Trommelfeuer durchbricht die Stille, ehe ein Stimmengewirr und Freudenschreie die unheimliche Szenerie beenden. Probt hier etwa das letzte Häufchen der Nationalen Volksarmee (NVA) seine Gefechtsbereitschaft? Am 9. Mai war die Truppe am sowjetischen Ehrenmal in Treptow aufmarschiert.

Am Sonnabend hatte der NVA-Traditionsverband zum Arbeitseinsatz und zum Training der Ehrenformation eingeladen. Der Ort bot jedenfalls den passenden Rahmen: Das ehemalige Rechenzentrum der NVA in Garzau bei Strausberg am östlichen Berliner Stadtrand. Vom 17 Meter unter der Erde liegenden Atombunker aus sollten im Ernstfall alle Daten über die mögliche Front gesammelt werden.

Doch die lautstarken Kämpfer entpuppen sich als Paintball-Spieler. Sie schießen mit Farbpatronen aufeinander und freuen sich über Treffer an der Kleidung. Mit der NVA haben sie nichts zu tun. „Da müssen Sie schon den Eingang mit der DDR-Fahne nehmen“, sagt ein Spieler trocken. Mit diesem Hinweis stellt die Suche kein Problem mehr da, zumal ein älterer Herr in Uniformhose den Eingang eines Kasernengebäude ansteuert. Das Grün des Beinkleids sieht zwar recht verblichen aus, aber das typische NVA- Muster ist unverkennbar. „Gehen Sie ruhig vor und melden Sie sich im ersten Stock“, sagt er.

Nach dem Öffnen der Tür neben der DDR-Flagge besteht kein Zweifel mehr. Der Militärmief ist noch da, an den Wänden hängen Fahnen der DDR und der FDJ, und auf einem Blechschrank stehen Flaschen eines „NVA-Wodkas“. Im ersten Stock wird heute tatsächlich gearbeitet. Es sind Spachtelgeräusche und Hammerschläge zu hören. Wie hatte es in der internen Einladung geheißen? „Anzugsordnung: NVA-Felddienstuniform bzw. Arbeitssachen, mitzubringen sind: Kochgeschirr, Besteck, Geschirrtuch, Tasse, Becher, Spachtel, Drahtbürste, evtl. Heißluftgebläse, wenn vorhanden.“

Doch ein verschlossenes Gitter verhindert den Zutritt zu den Arbeitern. Dennoch bleibt der Gast nicht lange unerkannt. Ein kräftig gebauter Mann um die 70 öffnet und fragt nach dem Begehr. Doch schon nach den ersten Worten hebt er die Hände: „Wir arbeiten heute nur. Es gibt keinen Aufmarsch. Für weitere Auskünfte wenden Sie sich an die Pressestelle unseres Traditionsverbandes.“ Bevor er abdreht, beantwortet er doch noch die Frage nach der Parade im Treptower Park. „Der Tag der Befreiung wurde in der DDR immer durch Ehrenformationen der Sowjetarmee und der NVA begangen. Das wollen wir nicht vergessen.“ Dann folgt nochmals der Hinweis auf die Pressestelle. „Militärbeobachter“ sind beim samstäglichen Arbeitseinsatzes, den man wohl früher Subbotnik genannt hätte, dann doch nicht erwünscht.

Derweil wird draußen wieder gechossen. Claus-Dieter Steyer

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