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Berlin: Gustav Lilienthal forschte nicht nur zusammen mit Otto, sondern war auch Architekt und Erfinder

Er war ein Mensch, den man gerne kennen gelernt hätte: ein Weitgereister, der fünf Jahre in Australien gelebt hat und der als 62-Jähriger noch nach Brasilien fuhr. Ein Architekt, der keine Prunkvillen baute, sondern Familienhäuser, die preiswert und schön zugleich sein sollten.

Er war ein Mensch, den man gerne kennen gelernt hätte: ein Weitgereister, der fünf Jahre in Australien gelebt hat und der als 62-Jähriger noch nach Brasilien fuhr. Ein Architekt, der keine Prunkvillen baute, sondern Familienhäuser, die preiswert und schön zugleich sein sollten. Ein Vater von fünf Töchtern, der Spielzeug erfand, das andere Leute reich und berühmt machte. Und schließlich war er der Bruder Otto Lilienthals, und wie dieser besessen von der Idee des Menschenfluges. Bis an sein Lebensende führte er Tests mit Flugmodellen durch. Gustav Lilienthal (1849 bis 1933) hinterließ viele Spuren, nur kaum jemand weiß, dass sie ausgerechnet von ihm stammen. Um so überraschender ist es, diese Spuren in einer Ausstellung zum 150. Geburtstag eines eigentlich unbekannten Mannes wieder zu finden.

Jedes Kind kennt - oder zumindest kannte früher - die Anker Steinbaukästen. Aus den schlichten roten und beigen Steinen lassen sich je nach Fantasie prächtige Häuser oder Brücken bauen. Gustav Lilienthal hatte die Idee zu den Bausätzen, musste sie aber aus Geldmangel verkaufen. Das Urmodell aus Holz sowie die ersten von Lilienthal produzierten Kästen sind in der Ausstellung im Steglitzer Heimatmuseum zu sehen, genauso wie die der Firma Anker. Lilienthals Ziel war Spielzeug, das die Kreativität von Kindern anregt. Er erfand noch weitere Bausysteme, darunter eines mit fest verbundenen Teilen.

Das Baukasten-Prinzip scheint ihn nicht nur in der Miniatur begeistert zu haben, er wandte es auch in Groß an und wurde so zum ersten Fertighaus-Bauer Deutschlands. "Er wollte das Haus für alle", sagt Winfried Halle, Lilienthals Urenkel und Organisator der Ausstellung. Nach seiner Methode wurden die Bodelschwinghschen Kolonien bei Bernau gebaut. Auch gründete er eine der ersten Baugenossenschaften in Berlin, die Freie Scholle in Reinickendorf. Selbst die Villen, die er baute - zwanzig stehen allein in Lichterfelde, darunter sein eigenes Wohnhaus - waren praktisch und gemütlich. Beeinflusst vom englischen Landhausstil, den er auf seinen Reisen in England kennen lernte, sehen sie von außen aus wie Burgen, mit Türmchen und Zinnen. Innen sind sie mit Wandschränken und einer Warmluftheizung ausgestattet, das zweischalige Mauerwerk dient der sparsamen Wärmehaltung.

Doch Gustav Lilienthal, der eine Maurerlehre machte und zwei Jahre an der Schinkelschen Bauakademie studierte, träumte ein Leben lang vom Fliegen und hoffte, dass es der Völkerverständigung dienen würde. Zusammen mit seinem ein Jahr älteren Bruder baute er bereits als 12-Jähriger das erste Flügelpaar und untersuchte später mit ihm zusammen die Eigenschaften gewölbter Tragflächen - die Vögeln abgeschaute Entdeckung, die fundamental für die Entwicklung der Luftfahrt sein sollte. Nach dem Tod Ottos, der mit 48 Jahren bei einem Flugversuch abstürzte, forschte Gustav weiter. Dabei erkannte er den Vorteil von Tragflächen mit verdickten Vorderkanten, was wesentlich für die Weiterentwicklung des Segelfluges war. Eines seiner selbst gebauten Modelle hängt in der Ausstellung.

Und auch Gustav starb schließlich auf einem Flugplatz, allerdings eines natürlichen Todes: Auf dem Weg zu seinem Versuchsflugzeug erlitt er 83-jährig einen Herzinfarkt. Zwar nicht so berühmt wie sein Bruder, hinterließ er dennoch eine Vielzahl bemerkenswerter Erfindungen.Die Ausstellung über Gustav Lilienthal läuft bis zum 22. Dezember im Heimatmuseum Steglitz, in der Drakestraße 64 A. Öffnungszeiten: Mo 16-19 Uhr, Mi 15-18 Uhr, So 14-17 Uhr, Eintritt frei, Telefon: 833 21 09.

Simone Bartholomae

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