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Berlin: Gut in Form

Die Unesco verleiht Berlin den Titel Stadt des Designs. Gestalter von hier sind weltweit gefragt

Wenn heute im Roten Rathaus Bürgermeister Harald Wolf (PDS) die Auszeichnung „Stadt des Designs“ im Rahmen eines Festaktes von Vertretern der Unesco entgegennehmen wird, kann sich die Branche stolz auf die Schulter klopfen. Berlin ist damit als erste deutsche Stadt im globalen Netzwerk der kreativen Städte „Creative City Network“ vertreten, welches die UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur gegründet hat. Weitere Städte in diesem Netzwerk sind Buenos Aires als Stadt des Designs, Edinburgh als Stadt der Literatur sowie Santa Fe und Assuan als Städte der Volkskunst und Popayan in Kolumbien als Stadt der Gastronomie.

Mateo Kries, Direktor des Berliner Vitra-Designmuseums, sieht in der Vernetzung der Branche einen der wichtigsten Gründe für den Erfolg hiesiger Designer. „Früher war das eine unüberschaubare Szene, heute gibt es konkrete Festivals, Label und Designer“, beschreibt er die Außenwahrnehmung. Events wie das Festival Designmai seien wichtig, um die Entwicklung der Stadt zu präsentieren.

Im Vergleich mit anderen Design-Städten wie Paris oder Mailand sei Berlin, was Produkt- und Modedesign betrifft, stark in Bewegung. „In den traditionellen Designer-Städten gibt es oft eine starke Fortsetzung der Tradition. In Berlin dagegen ist der Wille zum Experiment groß“, sagt Kries. Er sieht denn auch in der Unesco-Entscheidung den Ausdruck einer Wertschätzung für eben diesen Mut zum Neuen. Europaweit sei zu beobachten, dass die Branche zunehmend einfallsreicher werden müsse. „Es gibt kaum noch Designer, die zehn Jahre lang für den gleichen Auftraggeber arbeiten“, so der 31-Jährige. Berlin gelte als Labor für neue Produktionsverfahren und dezentrales Schaffen. „Vom Konzept bis zum Vertrieb ist oftmals alles aus einer Hand.“ Davor hätten etwa Japaner Respekt, „dass wir das hier wagen“. In Asien würden Designer meistens Massenware für die Industrie entwerfen.

Das Aufbauen von Netzwerken ist derzeit im Bereich Design ein Erfolgsrezept, das Berlin im Hinblick auf die Ernennung zur Design-Stadt durch die Unesco im November sehr geholfen hat. Tanja Mühlhans, Referentin für Kreativwirtschaft beim Senat, ist eine der maßgeblichen Initiatoren für das Designer-Netzwerk in der Stadt. Sie begründete vor einem Jahr einen runden Tisch, an dem sich seither alle sechs Wochen wichtige Vertreter der Design-Szene treffen, um sich auszutauschen. „Da ist auch die Idee entstanden, sich bei der Unesco um den Titel zu bewerben“, so Mühlhans. In einem 60-seitigen Bewerbungsschreiben fasste die Referentin zusammen, was Berliner Design ausmacht: Von der wirtschaftlichen Leistung bis zur Tradition, etwa des Bauhauses, war alles dabei.

„Durch die Recherchen für die Unesco-Bewerbung haben wir jetzt einen guten Überblick“, beschreibt Mühlhans den nützlichen Nebeneffekt. Weitere Projekte sollen folgen: So ist das Netzwerk „Create Berlin“ in der vergangenen Woche an den Start gegangen. Unter dem Dach dieses neuen Labels sollen künftig Berliner Design-Orte und -Events, wie Messen und Museen gemeinsam auftreten. „Der gemeinsame Auftritt bewirkt, dass selbst ehemalige Konkurrenten jetzt zusammenarbeiten“, so die 36-jährige Senatsmitarbeiterin.

Einen Modeschulen-Shop, in dem die Studenten der drei Berliner Modeschulen ihre Produkte verkaufen können, wird es dank Mühlhans Initiative ab der kommenden Woche geben. Angedockt ist der zweihundert Quadratmeter große Laden an das Berliner Designer-Label Berlinomat, ein Geschäft, das derzeit 140 Designer präsentiert.

Auch andere fördern den Nachwuchs. Silvia Lindemann etwa verkauft nicht nur, sie sorgt sich auch um Mode. 16 Designer vertritt die ehemalige Restauratorin in ihrem Laden „Hall of Fame“ in Prenzlauer Berg. 16 Ich-AGs, die nähen lassen oder selber nähen, Stoffe einkaufen und Entwürfe zeichnen. Lindemann hat das Netzwerk vor einem Jahr gegründet hat. „Die Mädels bestellen Stoffe zusammen, bilden Ateliergemeinschaften oder leihen sich auch mal Maschinen, wenn etwas kaputt geht“, beschreibt Lindemann die Zusammenarbeit.

„Es herrscht eine richtige Aufbruchstimmung“, sagt Mühlhans. Das Interesse an Vernetzung innerhalb der Design-Branche sei mit den ersten erfolgreichen Projekten deutlich gestiegen. Die Unesco-Auszeichnung werde in der Branche als wichtige internationale Anerkennung für Berlin gesehen. „Das wird der Vermarktung der Produkte und Dienstleistungen national und international helfen“, glaubt Mühlhans.

Dass Berlin viele junge Designer anzieht, hat natürlich auch mit den Hochschulen zu tun. Sieben Ausbildungsstätten, darunter zwei Kunsthochschulen und drei Modeschulen, bilden hier Designer aus, laut Wirtschaftssenat rund 5000 an der Zahl. Etwa 11 700 Menschen arbeiten in der so genannten Kreativwirtschaft und produzieren Möbel, Lampen, Häuser oder bildende Kunst. Allein 6 700 Designerfirmen erwirtschaften in Berlin einen Umsatz von rund 1,5 Milliarden Euro jährlich.

Ein Wachstumsmarkt, der national und international wahrgenommen wird, wie zwei Beispiele zeigen. Das Study-Abroad-Programm des Art Center College of Design im kalifornischen Pasadena bietet ein Trimester Praxiserfahrung in Berlin: zur Inspiration der Jung-Designer. Und das preisgekrönte Kunst- und Designmagazin „Sleek“ ist im vergangenen Jahr von Hamburg an die Spree gezogen: wegen der Nähe zur kreativen Szene.

Christine Berger

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