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Berlin: Gymnasium mit Bestnoten soll geschlossen werden

Heute Protestmarsch gegen Schließung der Alt-Treptower Schule

Treptow-Köpenick. Das Ernst-Friedrich-Gymnasium soll vielleicht geschlossen werden. Damit hatte keiner gerechnet. In der Stimme von Englischlehrerin Liane Grimm war noch immer ein Unterton von Unglaube, als sie es beim Elternabend der Klasse 9.1. allen sagte: Ein Aber-das-ist-doch -absurd-Ausdruck erschien auf den Gesichtern: Was bedeutet es in den Zeiten von Pisa, wenn man ein Gymnasium schließen will, in dem alles stimmt? In einem Stadtgebiet, in dem nicht allzu viel stimmt.

Alt-Treptow hat den zweitschlechtesten Sozialindex des Bezirks. Vor dem Ernst-Friedrich-Gymnasium stand einst die Mauer. Drei Schritte sind es bis nach Neukölln, fünf Schritte nach Kreuzberg, nach Friedrichshain drei mehr. Alt-Treptow ist also eine Insel. Und wie auf einer Insel fühlen sich Schüler und Lehrer auch an ihrem Gymnasium. Hier geht zusammen, was so oft nicht zusammengeht: Lehrer und Schüler, Osten und Westen, Deutsche und Ausländer. Vielleicht liegt es am Mischungsverhältnis. Niemand hat eine klare Dominanz. Also integriert jeder jeden.

Die Schülerin aus Ghana, die den Osten Berlins sonst nie betreten hätte, erfährt, dass man auch jenseits von Neukölln durch die Straßen laufen und Freunde haben kann. Keine Gewalt-, keine Drogenprobleme. Nicht mal Graffitis an den Wänden im Schulhaus. Neuankömmlinge, Schüler wie Lehrer, prallen regelmäßig zurück, wenn sie zum erstenmal die Toiletten betreten. Dass Schulklos so sauber sein können, haben sie bisher für reine Propaganda gehalten. Und längst hat eine kleine innerstädtische Migrationsbewegung eingesetzt: Umzug nach Alt-Treptow, in die Nähe des Ernst-Friedrich-Gymnasiums. Bis letztes Jahr stand die Schule auf der Investitionshitliste des Bezirks. Vielleicht hat sie sich darum so sicher gefühlt.

Treptow-Köpenick muss in den nächsten Jahren zwei Gymnasien schließen, denn nach 1990 fehlten im Osten die Kinder. Nun erreicht der Geburten(dauer)knick bald die Gymnasien. Die jetzt auf die Oberschulen gehen, sind noch vor der Wende geboren. Aber nach welchen Kriterien macht man Gymnasien zu? Im Oberschulvergleich des Bezirksamtes erscheint das Ernst-Friedrich-Gymnasium mit dem weitaus höchsten Investitionsaufwand, 12,6 Millionen Euro. Ein möglicher Schließungsgrund. Schulleiter Michael Uhlig hält die 12,6 Millionen für eine rein imaginäre Zahl. Sie komme zustande, wenn man abstrakt den Ausbau des relativ kleinen Gymnasiums zu einer Schule mit vier Parallelklassen plant. Warum aber ausbauen, wenn die Schülerzahlen sinken? Schule und Elternvertretung haben ihrer Bildungsstadträtin Eva Mendl (PDS) längst einen Gegenvorschlag zur Schreibtischlogik geschickt: Investitionssumme 0,5 Millionen Euro. Denn das Dach über den soeben mit Senatsmitteln perfekt sanierten Turnhallen müsste wirklich noch neu gedeckt werden. Ansonsten möchte man das leer stehende sanierte Schulhaus der vormaligen Realschule in unmittelbarer Nachbarschaft mitnutzen. Es ist unlängst fertig geworden, aber nie wurde eine einzige Stunde Unterricht darin gehalten - zu wenig Schüler, Fehlplanung. Ein Fünf-Millionen-Euro-Grab ließe sich verhindern.

Vor dem Bezirks-Bildungsausschuss sagte Schuldirektor Michael Uhlig, dass er die Schließungskriterien für unpräzise und gar tendenziös halte und verwies auf die zu rettenden 5 Millionen Euro und den Investitionsbedarf von 0,5 Millionen statt 12, 6 Euro. Außerdem sei das Erschreckende von Pisa dieser nur-deutsche unmittelbare Zusammenhang von sozialem Herkommen und Bildungschancen gewesen. Und dem wolle Treptow-Köpenick mit der geplanten Schließung seiner Schule nun vorarbeiten? Bildungs-Stadträtin Eva Mendl zeigte sich empört - tendenziös, ein amtlicher Vorschlag? Sie fühlte sich verkannt.

Kürzlich haben die Ernst-Friedrich-Schüler ein großes Podium versammelt im Jugendkulturhaus gegenüber der Schule. Die Reaktivierung bereits geschlossener Schulräume ist der falsche Weg, begann Bezirksbürgermeister Klaus Ulbricht und machte so Schülern, Eltern und Lehrern klar, was er von ihrem Mitnutzungs-Vorschlag hielt. Aber dann sahen sich der Bürgermeister und die Stadträtin verstrickt in einen Argumentenwettbewerb, der sie zunehmend zu Zuhörenden machte. Und dass man mit der Schließung der letzten Oberschule in Alttreptow das Gebiet, das man einst entwickeln wollte, nun bewusst preisgeben würde, das sahen sie auch. Bezirksverordnete aller Parteien machten sich für die Erhaltung des Gymnasiums stark, und auch der Vorsitzende des Bildungsausschusses Joachim Schmidt ließ keinen Zweifel: Die Schule muss erhalten werden. Das Schulgebäude muss der Bezirk ohnehin erhalten, denn es steht unter Denkmalschutz. Noch in diesem Jahr soll eine Entscheidung fallen.

Am heutigen Donnerstag wird gegen die Schließungpläne protestiert: Um 15.30 Uhr ziehen Schüler, Eltern und Lehrer von der Schule zum Rathaus in der Neuen Krugallee.

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