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Berlin: „Gysi ist seiner Verantwortung für Berlin nicht gerecht geworden“

Der SPD-Landesvorsitzende Peter Strieder ist sauer und enttäuscht über den Rücktritt des Wirtschaftssenators, hält die Koalition aber nicht für gefährdet

Herr Strieder, Sie wussten schon seit zwei Tagen, dass Gregor Gysi zurücktreten will?

Nein, überhaupt nicht. Wir haben nach seiner Erklärung zu den Bonusmeilen miteinander gesprochen. Er hat dabei nur angedeutet, dass er über weitere Schritte nachdenke.

Ihnen war klar, dass Gysi über einen Rücktritt nachdenkt?

Natürlich. Nachdem ich gestern nichts gehört hatte, war das zu befürchten. Die Kampagne der Bild-Zeitung ist übel und entpolitisiert Politik.

Was bedeutet dieser Rücktritt für die Zukunft der SPD/PDS-Koalition?

Für die Koalition bedeutet das gar nichts. Ich persönlich bin enttäuscht und sauer. Das muss ich auch so deutlich sagen. Natürlich hat Gysi jetzt den Nimbus verloren, mit dem Finger auf die anderen zeigen zu dürfen. Und das wurmt ihn. Aber er trägt doch nach dem Wahlergebnis der PDS als Spitzenkandidat eine Verantwortung gegenüber den Berlinern und eine Verantwortung gegenüber seiner Partei und seinen Senatskollegen. Dieser Verantwortung ist er mit seinem Schritt nicht gerecht geworden.

Waren die Bonusmeilen der Grund für den Rücktritt?

Politik in Berlin, in der Regierung eines Stadtstaates – unter dem politischen Druck, unter dem wir stehen und mit den dramatischen finanziellen Restriktionen – ist nicht leicht. Gysis Flucht ist die Entzauberung der PDS. Realpolitik verlangt langen Atem und daran ist Gysi gescheiteirt.

Funktioniert die Koalition auch ohne Gysi?

Das Scharnier zwischen den Koalitionspartner ist nicht Gysi alleine. Da spielen andere eine mindestens ebenso wichtige Rolle. Die Zusammenarbeit zwischen SPD und PDS wird dieser Schritt nicht verändern. Andererseits ist klar, dass die SPD jetzt mehr Spielraum haben wird. Ohne Gregor Gysi nimmt man die PDS im Senat weniger wahr.

Größere Spielräume für die SPD? Sie meinen größere Probleme.

Nein. Klaus Wowereit wird die öffentliche Wahrnehmung der Koalition noch mehr bestimmen als bislang. Gysi war derjenige, den man für die PDS stark wahrgenommen hat. Das ist die eine Seite.

Für die Akzeptanz von Rot-Rot ist Gysis Rücktritt aber ein herber Schlag.

Das ist denkbar, ich glaube es aber nicht. Die Akzeptanz hat seit der Wahl zugenommen. Die SPD hat in den letzten Umfragen immer zugelegt, die PDS hat eher verloren. Für die SPD ergeben sich also durchaus Handlungsmöglichkeiten, das Profil noch zu schärfen.

Das ist doch kurz gegriffen. Eine Schwächung der PDS gefährdet die Stabilität der Koalition.

Warum sollte denn die Stabilität gefährdet sein? Die Koalition ist doch nicht nur mit Herrn Gysi geschlossen worden. Da spielen doch auch Harald Wolf und der Parteivorsitzende Stefan Liebich eine große Rolle. Die Zusammenarbeit der Fraktionen klappt gut und im Senat funktioniert die Zusammenarbeit mit den anderen PDS-Senatoren auch einwandfrei. Wir haben einen Gysi, der das Handtuch geworfen hat. Und viele, die konstruktiv in der Berliner Politik Verantwortung übernehmen. Sie glauben doch nicht, dass eine Landesregierung wie die in Berlin an einer einzigen Person hängt.

Die Bedeutung der zwei anderen PDS-Senatoren wird in der SPD aber nicht wirklich hoch eingeschätzt.

Gysi ist in der Medienwahrnehmung wichtig gewesen. Aber die anderen beiden haben sich gut in ihre Ressorts eingearbeitet und stehen für die SPD-PDS-Koalition. Auf keinen Fall würde ich die beiden als instabile Faktoren bewerten.

Mit dem Abgang von Gysi heißt es aber für den rot-roten Senat: Alles zurück auf Start.

Nein, überhaupt nicht. Wir haben einen Haushalt beschlossen. Wir haben die Risikoabschirmung für die Bank gesichert. Wir haben in allen Ressorts gearbeitet. Ein tatsächliches Defizit wird eher ein anderes sein. Gysi formuliert für die PDS-Klientel eine moderne Ideologie. Das wird fehlen. Aber dass ist das Problem der PDS und die Chance der SPD.

Ein Problem haben Sie vergessen: Was sagen Sie denn der Wirtschaft? Wir probieren es noch mal mit einem Neuen?

Wir warten ab, was die PDS uns vorschlägt. Zudem sind die Fragen der Wirtschaftspolitik auch das zentrale Interesse des Regierenden Bürgermeisters.

Wer wird neuer Wirtschaftssenator?

Es ist einzig Aufgabe der PDS, uns einen Vorschlag zu machen. Wir haben eine Ressortverteilung beschlossen und dabei bleibt es.

Herr Strieder - haben Sie auch Bonusmeilen?

Sicher habe ich Bonusmeilen. Aber ich habe diese nie privat eingesetzt.

Das Gespräch führten Barbara Junge und Gerd Nowakowski

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