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Berlin: Gysi stimmt Genossen auf Rot-Rot ein

Heute will die Linkspartei entscheiden, ob sie mit den Sozialdemokraten über eine Koalition verhandelt Ihr Landesvorstand stimmte gestern mit großer Mehrheit dafür. SPD über Grüne zunehmend irritiert

Er war zu Beginn der letzten Legislaturperiode der linke Hoffnungsträger der rot-roten Koalition. Jetzt könnte Gregor Gysi, inzwischen Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag, auch für eine mögliche Fortsetzung des Bündnisses mit der SPD den Ausschlag geben. Beim Sonderparteitag der Linkspartei, der heute abend im Bezirksamt Pankow stattfindet, ist Gysi der prominenteste Redner.

Es wird erwartet, dass der PDS-Star die knapp 150 Genossen, von denen viele noch unentschlossen sind, auf eine Fortsetzung der rot-roten Koalition einstimmt. Den Ton hat Gysi in den vergangenen Tagen in mehreren Interviews vorgegeben, in denen er deutlich gemacht hat, dass Rot-Rot die beste Option sei – wenn denn die Handschrift der Linkspartei in der Koalition erkennbar sei. Ähnlich hatte sich Co-Fraktionschef Oskar Lafontaine geäußert. Berlins SPD-Führung will am Tag nach dem PDS-Parteitag entscheiden, ob sie mit der Linkspartei oder mit den Grünen offizielle Verhandlungen über eine Koalition aufnimmt.

Am gestrigen Mittwochabend beschloss der Landesvorstand der Linkspartei gemeinsam mit den Bezirksvorsitzenden, dass man dem heutigen Parteitag empfiehlt, mit der SPD über eine Koalition zu verhandeln – sofern die SPD dies auch will. Als Voraussetzungen für ein Gelingen möglicher Koalitionsverhandlungen nannte die PDS-Spitze vier Bedingungen: Verlässlicher Einstieg in eine Gemeinschaftsschule, Einstieg in einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, Erhalt und Weiterentwicklung der landeseigenen Betriebe sowie Ausschluss von Studiengebühren. Dieser Antrag an den Parteitag wurde mit 13 Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen von der PDS-Spitze verabschiedet.

In den Bezirksverbänden der PDS, auf deren Zustimmung die Parteiführung angewiesen ist, war zuvor zunehmend zu hören, dass man sich „rational“ einer Regierungskoalition eigentlich nicht verweigern könne, wie es ein einflussreicher Bezirkschef formuliert. „Die Frage ist nur, ob sich von dieser rationalen Erkenntnis genügend Parteimitglieder überzeugen lassen“, sagte er. Das hänge beim Parteitag vor allem davon ab, wie die Verhandlungsführer den Stand der Gespräche mit der SPD vermitteln.

Es ist geplant, dass am heutigen Donnerstag neben Gysi unter anderem der PDS-Spitzenkandidat Harald Wolf sowie der Landesvorsitzende der Linkspartei, Klaus Lederer, sprechen. Gerade Wolf dürfte auch einiges an Kritik einstecken. Viele Parteimitglieder lasten es vor allem ihm an, dass die PDS am 17. September mit 13,4 Prozent der Zweitstimmen hinter dem Ziel von 17 oder mehr Prozent zurückblieb.

Mit besonderer Neugierde wird die SPD-Führung den Parteitag des bisherigen und vielleicht auch künftigen Koalitionspartners verfolgen. Vom Beschluss der Linkspartei hängt ab, wem der SPD-Landesvorstand in seiner Sitzung am Freitagabend den Zuschlag gibt.

„Wir werden die Entscheidung gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber den eigenen Mitgliedern ausführlich begründen“, kündigte SPD-Fraktionssprecher Peter Stadtmüller an. Denn trotz der vergangenen viereinhalb Jahre Regierungsbeteiligung gebe es in der SPD große Vorbehalte gegen die Linkspartei.

Über die Grünen spricht man in der SPD ebenfalls mit gemischten Gefühlen. Vor allem die SPD-kritischen Äußerungen von Grünen-Verhandlungsführerin Franziska Eichstädt-Bohlig nach den Sondierungsgesprächen haben die SPD-Verhandlungsführer verärgert. Sie hatte gesagt, dass die SPD die wichtigen Zukunftsthemen nicht anpacken und die bisherige rot-rote Koalition in die nächste Legislaturperiode „verlängern“ wolle. „Es ist uns unerfindlich, wie sie so etwas nach zwei intensiven und konstruktiven Sondierungsgesprächen sagen kann“, sagt SPD-Fraktionssprecher Stadtmüller.

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