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Berlin: Haft verbüßt: Anklage will Sexualstraftäter wegschließen

Erstmals beantragt die Staatsanwaltschaft nachträglich Sicherungsverwahrung. Der Täter war 1994 in den Mord an einem achtjährigen Jungen verwickelt

Erstmals soll in Berlin gegen einen bereits in Haft sitzenden Schwerverbrecher nachträglich die so genannte Sicherungsverwahrung verhängt werden. Die Staatsanwaltschaft hält den im Jahr 2000 zu sieben Jahren Haft verurteilten Sexualtäter Jens A. für so gefährlich, dass er auf unabsehbare Zeit in Haft bleiben soll.

Am kommenden Freitag beginnt gegen den 36-Jährigen die Verhandlung über die beantragte Strafverlängerung. Jens A. hatte 1994 mit einem Komplizen den achtjährigen Daniel sexuell missbraucht, sein Komplize Sandro P. hatte das Kind anschließend getötet und auf einer Brandenburger Müllkippe verscharrt. Gefunden wurde die Leiche einen Tag später; aufgeklärt wurde das Verbrechen aber erst 1998 durch einen Zufall. Jens A. hatte sich im Rausch bei einem Bekannten verplappert, der daraufhin zur Polizei gegangen war. Haupttäter Sandro P. wurde damals wegen Mordes zu neun Jahren Jugendstrafe verurteilt.

Wenige Monate vor der Haftentlassung von Jens A. hat die Staatsanwaltschaft die Sicherungsverwahrung beantragt, über die das Gericht jetzt entscheiden muss. Nach Angaben von Justizsprecher Olaf Arnoldi ist es das erste Mal, dass dies in Berlin beantragt wurde. Möglich ist das nachträgliche Verhängen der Sicherungsverwahrung seit zwei Jahren. Die rechtliche Handhabe ist auf Schwerverbrechen beschränkt, gilt also nur für Mörder, Vergewaltiger und Entführer. Bedingung ist zudem eine „negative Gefährlichkeitsprognose“. Zwei Gutachter sollen am Freitag belegen, dass Jens A. immer noch gefährlich ist.

Erst im November hatte der Bundesgerichtshof (BGH) die Bedingungen für eine nachträgliche Sicherungsverwahrung noch weiter verschärft: Es müssen während der Haft „erhebliche“ neue Anhaltspunkte für eine große Allgemeingefährlichkeit des Verurteilten bekannt geworden seien, urteilten die Bundesrichter und verwiesen auf den „hohen Rang“ des Grundrechts auf Freiheit. Im September hatte ein Gericht in Frankfurt (Oder) der Sicherungsverwahrung gegen den Doppelvergewaltiger Michael B. widersprochen, obwohl zwei Gutachter, Gefängnispsychologen und Sozialarbeiter dem zu fünf Jahren Haft verurteilten Sexualtäter fehlende Reue und ein hohes Rückfallrisiko bescheinigt hatten. Politiker von CDU und SPD hatten das Urteil kritisiert, die Staatsanwaltschaft, die Michael B. als „tickende Zeitbombe“ bezeichnet hatte, kündigte Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) an.

Doch die Berliner Ankläger zeigen sich bei Jens A. optimistisch. Denn er soll im Jahr 2000 aus dem Gefängnis heraus der Mutter des ermordeten Jungen in Briefen angekündigt haben, dass er „irgendwann entlassen“ werde. Im ersten Prozess war die Mutter weinend zusammengebrochen, nachdem die Öffentlichkeit – damit auch die Eltern – vom Prozess ausgeschlossen worden waren, da der Mörder des Jungen bei der Tat noch nicht volljährig gewesen war und der Angeklagte deshalb unter besonderem Schutz stand.

Doch die Details, die damals bekannt wurden, sind grausam genug: Es war der zweite Weihnachtstag, als der Junge die Wohnung an der Kollwitzstraße verließ, um mit Freunden zu spielen. Die Täter sprachen ihn auf der Straße aus dem Auto heraus an. Die Männer aus dem Strichermilieu lockten den Jungen mit Geld in ihre Schöneberger Wohnung, dort verging sich Jens A. vor den Augen seines Liebhabers an ihm. Als der Junge weinend und schreiend aus dem Zimmer rannte, erwürgte ihn Sandro P.

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