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Als sie ihm Kontrolleure aufhalsen wollten, wurden ihm die Kränkungen zu viel.

© dpa

Hartmut Mehdorn und sein Rücktritt als BER-Chef: Ehre ist ihm wichtiger als Ehrgeiz

Als BER-Chef war Hartmut Mehdorn von Beginn an ein willkommenes Ziel für Kritik, Häme, Spott und Wut. Am Schluss hat er die Kränkung nicht mehr ertragen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Lorenz Maroldt

Die Geschichte von Hartmut Mehdorn als Berliner Flughafenchef war eigentlich schon im September an ihr Ende gekommen, kurioserweise durch seine glücklichste Personalentscheidung. Weil sich der zuvor „Retter“ genannte Technikchef als korrupt herausstellte, musste Mehdorn einen neuen suchen – und fand den Siemens-Manager Jörg Marks. Der zog nach kurzer Zeit eine Bilanz, die als verheerendes Abschlusszeugnis für den Chef gelesen werden konnte. Anderthalb Jahre war Mehdorn da bereits im Amt, hatte mit Ideen um sich geworfen wie andere zu Silvester mit Böllern, 800.000 Euro im Monat allein für externe Berater verpulvert und großspurig ein Programm mit dem Namen „Sprint“ ausgerufen. Tatsächlich wurden sogar Warnwesten mit dem Schriftzug „Sprint“ bedruckt.

Doch als Marks anfing und seine Eröffnungsbilanz vorlegte, stand da Folgendes drin: „Wir sind zu langsam (lange Antwortzeiten), zu kompliziert (Planungen selbst für Kleinigkeiten) und zu unverbindlich (wer entscheidet und bis wann).“ Mit anderen Worten: Die Zustände am BER waren noch immer vollkommen chaotisch, nach anderthalb Jahren unter der Verantwortung Mehdorns.

Es gehört zur Ironie dieser Geschichte, dass Mehdorn ausgerechnet jetzt, ein paar Monate später, da zum ersten Mal überhaupt so etwas wie ein halbwegs nachvollziehbarer Plan für die Organisation der Baustelle und der Fertigstellung des Flughafens vorliegt, seinen Abflug verkündet, mit den seltsam anmutenden Worten: „Ich bedauere meinen Rücktritt persönlich sehr, da er weder meinem Pflichtbewusstsein noch meinen persönlichen Zielen entspricht.“ Was nichts anderes bedeutet als: Meine Ehre ist mir wichtiger als mein Ehrgeiz.

Lesen Sie hier den Rücktritt von Mehdorn in unserem Minutenprotokoll nach.

Das war zu viel, das war’s

In diesen ersten anderthalb Jahren hatte sich Mehdorn das Misstrauen verdient, das er am Ende nicht mehr los wurde und, als es auf der Baustelle endlich zu laufen schien, als so kränkend empfand, dass er es nicht mehr ertrug. Die Flucht nach vorne, die er mit wütenden Briefen an die Gesellschafter und einer kaum verhüllten Rücktrittsdrohung in einem Tagesspiegel-Interview angetreten hatte, führte ihn schnurstracks in die Blamage, weil sich zur selben Zeit sein berechtigter Misstrauensunmut über den Aufsichtsrat in eine Untreuegewissheit verwandelte: Hinter seinem Rücken wurden bereits mit möglichen Nachfolgern Termine vereinbart.

Peinlich berührt durch die Indiskretion genehmigte der politisch gesteuerte Aufsichtsrat entgegen seiner vorherigen Absicht zwar noch Mehdorns Eröffnungszeitplan für Ende 2017, schmetterte aber seinen Wunsch nach Fortsetzung der selbst gewählten externen Beratung ab und bestätigte stattdessen die von Mehdorn vehement abgelehnte externe Kontrolle durch die Gesellschafter. Das war zu viel, das war’s.

Der vorzeitige Rücktritt Mehdorns, dessen Vertragsverlängerung über 2016 hinaus ohnehin reichlich unwahrscheinlich war, führt jetzt aber auch zu einer Fokusverschiebung, die sich der unglückliche Manager längst erhofft hatte, die aber erst durch seinen Abgang möglich wird. Mehdorn war von Beginn an auch ein den politischen Gesellschaftern Bund, Berlin und Brandenburg willkommenes Ziel für Kritik, Häme, Spott und Wut, die ein vollkommen aus jeder Ordnung geratenes Projekt wie der BER automatisch und in gleichbleibend hoher Frequenz auf sich zieht.

Mehdorn bleibt eine Episode

Mehdorn hatte ein kaum zu durchschauendes Gestrüpp von Unverantwortlichkeiten und Unmöglichkeiten übernommen – und war anfangs nicht in der Lage, es zu sortieren. Dass daran aber nicht allein sein Managementversagen oder das seiner Vorgänger schuld war, sondern auch das zum Teil widerstreitende Interesse der Gesellschafter, geriet oft aus dem Blick.

Die Geschichte des BER ist, anders als die von Hartmut Mehdorn, noch nicht an ihr Ende gekommen. Seit mehr als acht Jahren wird gebaut, vor zweieinhalb Jahren sollte er endlich eröffnet werden, in drei Jahren könnte es dann doch so weit sein. Mehdorn war bis jetzt nicht einmal zwei Jahre dabei. Er bleibt eine Episode.

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