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Stapelweise Akten. Alle 18 Minuten geht beim Sozialgericht Berlin eine neue Hartz-IV-Klage ein.

© Thilo Rückeis

Hartz-IV-Klagen: Berlins Jobcenter wollen besser werden

Seit Einführung von Hartz IV haben sich die Klagen am Berliner Sozialgericht mehr als versechsfacht. Justizsenator Heilmann will die Zahl der Jobcenter-Streitigkeiten um ein Viertel drücken - und hat Verbesserungsvorschläge erarbeiten lassen.

Das Ziel der Berliner Jobcenter ist ehrgeizig: In den kommenden beiden Jahren wollen sie erreichen, dass die Zahl der Klagen beim Sozialgericht gegen ihre Bescheide um 25 Prozent sinkt. Ein wesentlicher Punkt dabei ist, dass die Bescheide verständlicher und die Entscheidungen der Sachbearbeiter für die Kunden nachvollziehbarer werden. Die Qualitätsoffensive geht zurück auf eine Initiative von Justizsenator Thomas Heilmann (CDU). Seit dem Sommer haben Vertreter der Justizverwaltung, der Jobcenter, der Regionaldirektion und der Sozialgerichte Verbesserungsvorschläge erarbeitet. Auf 38 konkrete Schritte habe man sich jetzt verständigt, sagte Heilmann. „Das führt nicht nur zur Entlastung für die Gerichte und die Verwaltungen, sondern auch zu Verbesserungen für die Bürger.“ In Berlin beziehen knapp 320 000 Haushalte Leistungen nach Hartz IV.

Seit Jahren verzeichnen das Berliner Sozialgericht und das Landessozialgericht steigende Klagezahlen. „Seit der Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 haben sich die Jobcenter-Streitigkeiten mehr als versechsfacht“, sagte Sozialgerichtspräsidentin Sabine Schudoma. Im vergangenen Jahr gingen rund 29 000 Hartz-IV-Verfahren beim Gericht ein; diese Größenordnung erwartet man auch für dieses Jahr. „Nach acht Jahren Klageflut sehne ich mich nach Ebbe“, sagte Schudoma. Die Gerichtspräsidentin hatte in der Vergangenheit immer wieder auch darauf verwiesen, dass rund 80 Prozent der Streitfälle ohne Urteil mit Vermittlung des Richters beendet wurden, und deswegen geraten, dass Jobcenter und Hartz-IV-Empfänger viel mehr das direkte Gespräch suchen sollen.

Das gehört jetzt auch zu den Verbesserungsvorschlägen. Im Rahmen der Widerspruchsverfahren soll es künftig auch eine mündliche Anhörung geben. Landessozialgerichtspräsidentin Monika Paulat hält die Einführung für einen Paradigmenwechsel. Sie könne sich sogar vorstellen, diese Möglichkeit auch in die Sozialgesetzgebung aufzunehmen. Früher habe man bei Streitigkeiten erst bei Gericht zum ersten Mal miteinander gesprochen, sagte Paulat.

Laut dem Vorsitzenden der Regionaldirektion für Arbeit, Dieter Wagon, gaben die Jobcenter knapp 700 000 Bewilligungs- und Erstattungsbescheide im vergangenen Jahr aus. Gegen drei bis vier Prozent der Bescheide werde gerichtlich vorgegangen. Zu den bisherigen Schwierigkeiten für die Sachbearbeiter in den Jobcentern gehöre, dass es seit Einführung von Hartz IV mehr als 50 Gesetzesänderungen gegeben habe. Nach Wagons Angaben soll jetzt die Dauer der Bearbeitung gesenkt werden, damit auch die Zahl der Klagen wegen Untätigkeit gesenkt werden kann.

Ein Hauptteil der Rechtsstreitigkeiten drehte sich in der vergangenen Jahren um die Kosten der Unterkunft. Die frühere Verordnung des Senats wurde zur Jahresmitte durch eine neue Vorschrift ersetzt. Derzeit sind Verfahren am Landessozialgericht anhängig, durch die deren Rechtsverbindlichkeit überprüft werden soll.

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