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Berlin: Hauptsache sicher

27 Frauen und 39 Kinder leben im Zweiten Berliner Frauenhaus. Jetzt will der Senat den Etat kürzen

Von Sabine Beikler

Er hörte nicht auf. Immer wieder schmetterte er sie gegen die Wand, dann prügelte er mit Händen und Füßen auf sie ein. Ihre Gedanken waren bei dem dreijährigen Sohn, der verängstigt im Zimmer stand und sich die Gewaltorgie mitansehen musste. Stunden über Stunden. Zwischen Besinnungslosigkeit und dem schützenden Instinkt für den Sohn und ihre elf Monate alte Tochter schleppte sie sich mit letzter Kraft auf den Balkon und rief ihre Nachbarn zu Hilfe. Sie benachrichtigten die Polizei. Ihr Mann bekam es mit der Angst zu tun, griff nach seinem Sohn und flüchtete aus der Wohnung. Die Beamten brachten die verletzte Mutter erst einmal ins Krankenhaus und anschließend direkt ins Zweite Berliner Frauenhaus. Dort lebt sie mit ihrer Tochter seit dem 20. Juli. Ihren Sohn hat die 33-Jährige seither nicht mehr gesehen.

Gewalt, Angst oder Abhängigkeiten haben alle der mit ihren Kindern hier wohnenden Frauen erlebt. Zurzeit sind in dem Haus, das irgendwo in Berlin auf einem mit hohem Sicherheitszaun gesicherten Grundstück steht, 27 Frauen und 39 Kinder untergebracht. Das Zweite Berliner Frauenhaus gibt es seit 25 Jahren. Mit 60 von 301 Plätzen ist es eines der größten der sechs Frauenhäuser in Berlin – und es ist das einzige, das Mütter mit Söhnen über 14 Jahre aufnimmt. Elf Voll- und Teilzeitkräfte betreuen die Frauen, die zum Teil von ihren Männern weiterhin bedroht werden und auch um ihr Leben fürchten müssen. Sie begleiten sie bei Behördengängen, bieten Beratungen an, vermitteln Anwälte oder helfen bei der Wohnungssuche.

2003 fanden 347 Frauen und 307 Kinder Zuflucht in dem Frauenhaus, berlinweit rund 1300 Frauen. „Wir haben eine Auslastung von 98 Prozent“, erzählt Afsaneh Bokharai vom Vorstand des Trägervereins. Trotz hoher Belegungszahlen sollen nach dem Willen von PDS-Frauensenator Harald Wolf in ihrem Haus 26 Plätze abgebaut und die Zuschüsse für Personal- und Sachkosten von 527 000 Euro im nächsten Jahr um 220 000 Euro gekürzt werden. Staatssekretärin Susanne Ahlers begründet das damit, dass für das Haus eine „kostengünstigere Alternative“ gesucht werde; das Gebäude stünde unter Denkmalschutz und müsse teuer saniert werden. Die jetzt mietfreie Immobilie gehört zum Landesforstamt, soll bald dem Liegenschaftsfonds übertragen und verkauft werden.

Ahlers will die Verweildauer auf drei Monate beschränken, das Haus verkleinern und stattdessen mehr Plätze in Zufluchtswohnungen anbieten. Zurzeit gibt es in Berlin 42 solche Wohnungen mit 314 Plätzen. „Wir wollen von Gewalt betroffene Frauen schneller wieder in den normalen Alltag einbinden“, sagt Ahlers. „Weniger Plätze und eine begrenzte Wohndauer in Frauenhäusern erhöhen die Fluktuation.“ So soll trotz des hohen Auslastungsgrades von 90 Prozent in Berlin der Bedarf an Frauenhausplätzen gesichert bleiben. Gegen diese Pläne laufen Frauenverbände und Frauenpolitikerinnen der Grünen und der FDP, Sibyll Klotz und Mieke Senftleben, Sturm. „Zufluchtswohnungen können Frauenhaus-Plätze nicht ersetzen. Sie haben nicht die hohen Sicherheitsstandards und die Anonymität“, heißt es unisono. Außerdem gebe es dort keine Beratungen für Kinder.

Am heutigen Mittwoch will der Ausschuss für Frauen über die geplante Kürzung im Frauenhaus entscheiden.

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