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Warten auf den Tag X: der Flughafen BER.

© picture alliance / dpa

Hauptstadtflughafen: Am BER ist noch immer kein Abflug in Sicht

Auf der Baustelle des neuen Flughafens in Schönefeld gibt es kaum Fortschritte. Am Terminal erwägt man „Brandversuche“. Manche Räume sind nicht auffindbar. Gesucht werden auch Steuerer zur Steuerung von Steuerern. Hartmut Mehdorn will am 12. Dezember den Eröffnungstermin verkünden. Droht etwa die nächste Absage?

Noch zweieinhalb Monate. Hartmut Mehdorn will am 12. Dezember dem Aufsichtsrat verkünden, wann der neue Hauptstadtflughafen eröffnen kann. Aber auf der Baustelle in Schönefeld geht es kaum voran. Das belegen der jüngste Brandbrief des neuen Technikchefs und früheren Siemens-Managers Jörg Marks, der „12. Sachstandsbericht BER“ Mehdorns vom 30. September und diverse Unterlagen für den Aufsichtsrat. Hier finden Sie den Leitartikel von Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt - und hier eine Analyse, wie es aktuell um den BER steht.

FLUGGASTTERMINAL

39 von 40 BER-Gebäuden sind fertig, betont Mehdorn, alle „bis auf das Terminal“. Das Hauptgebäude aber ist von einer Fertigstellung weit entfernt. Technikchef Marks spricht bewusst von einer „Sanierung im Bestand.“ In den Berichten für den Aufsichtsrat aus dem laufenden Jahr stehen für das Terminal die Ampeln, die den Fortschritt symbolisieren sollen, unverändert auf Rot. Nicht einmal ein Viertel der Arbeiten, die erledigt werden müssen, sind laut Controlling geschafft.

Symptomatisch ist das lange bekannte Wirrwarr um die Raumnummern, das erst jetzt behoben werden soll. „Im Ergebnis lassen sich Räume nicht mehr eindeutig auffinden. Zum Teil passen Raumnummern und die Lage im Gebäude nicht zueinander“, heißt es im Sachstandsbericht Mehdorns. „Aus diesem Grund hat die Raumnummernproblematik in den vergangenen Monaten immer wieder zu Schwierigkeiten bei der Sanierung des Flughafens geführt.“ Ohne korrekte Nummern ist das Gebäude nicht abnahmefähig, da Feuerwehr und Rettungsdienste nicht wissen, wo sie hinsollen. Und es kann nicht begonnen werden, die Entrauchungsanlage zu programmieren.

Im BER-Terminal wurde gepfuscht

Die Entrauchung bleibt auch technisch ein Hauptproblem. Die eingebaute Zentralanlage schafft es nicht, Rauch genau dosiert aus dem letzten Winkel des Terminals zu saugen – sie wird nun in mehrere beherrschbare Anlagen aufgeteilt. Aktuell werden Entwurfs- und Ausführungsplanungen erstellt. Der Umbau selbst muss vom Bauordnungsamt genehmigt werden, das noch keine Anträge hat. Und für die Programmierung wartet der Siemens-Konzern auf die Matrix, also auf die Szenarien zur Steuerung. Auch bei der „Herstellung einer genehmigungsfähigen Hauptverkabelung“ – die Trasse ist überbelegt und brandanfällig – ist man im Rückstand. Ebenso bei der unkalkulierbaren „Deckenhohlraumsanierung“, weil der Innenausbau im Terminal verpfuscht wurde. In überbelegten Schächten liegen Starkstrom- und Computerkabel nebeneinander. Es geht auch um fehlende oder gepfuschte Brandschottungen, um hinter Wänden versteckte Brandschutzmängel. Weil das Gebäude innen latent porös ist, drohen Entrauchungsprobleme, selbst wenn die Technik einmal funktionieren sollte. „Durch die Vielzahl von Verdachtsfällen drohen zeit- und kostenaufwendige Eingriffe in den Baukörper“, heißt es in einem Mehdorn-Bericht. Man habe ein „Stichprobenkonzept für die Feststellung nicht sichtbarer Mängel entwickelt“. Erwogen werden „Brandversuche zur Sicherung der Genehmigungsfähigkeit“.

NORDPIER

Der nördliche Seitenflügel des Terminals gilt als Objekt mit den wenigsten Problemen. Trotzdem liegt Mehdorn selbst hier mindestens ein halbes Jahr hinter dem eigenen Plan. Er wollte im Nordpier ab April 2014 die ersten Passagiere abfertigen, ehe der Testbetrieb abgeblasen wurde. Zwar wurden die Arbeiten im Nordpier beendet. Doch von der Baubehörde gibt es bisher keine Nutzungsfreigabe. Es werde wohl bis Jahresende dauern, heißt es. Zudem wurde bisher erst der ursprünglich genehmigte Zustand „Klassik“ hergestellt. Wegen veränderter Anforderungen muss das Nordpier umgebaut werden, Mehdorn sprach von „Ummöblierungen“, was neue Arbeiten erfordert.

KAPAZITÄT

Der neue Flughafen ist schon jetzt zu klein. 2014 werden in den Alt-Flughäfen Schönefeld und Tegel 27 Millionen Passagiere erwartet, so viele wie die konzipierte BER-Kapazität. Und die Passagierzahlen wachsen. Nach der Luftverkehrsprognose für den BER der Firma Intraplan aus München vom 25. Februar 2014 werden es 2016 bereits 31,4 Millionen Passagiere sein, 36,3 Millionen 2020. Frühere Prognosen waren immer zu niedrig, nie zu hoch. Wegen Fehlplanungen können aber im Terminal laut Mehdorn bislang nur 21 Millionen Passagiere abgefertigt werden, es gibt zu wenige Check-in-Schalter, die Gepäckanlage ist zu klein. „Es fehlen Rückfallebenen, kleinste Abweichungen werden zum Systemzusammenbruch führen“, warnte Mehdorn intern. Er bekam grünes Licht für Planungen, um für eine Übergangszeit das alte Schönefelder Terminal als zweite BER-Abfertigungshalle zu nutzen. Das kollidiert mit dem geplanten Regierungsairport, für den es keine Lösung gibt. Geplant ist am alten Terminal eine „Grundsanierung im laufenden Betrieb.“ Die muss noch genehmigt werden.

SCHALLSCHUTZ

Der BER darf erst ans Netz, wenn der Schallschutz für die Anwohner realisiert ist. Im „Tagschutzgebiet“ unmittelbar ringsum betrifft das 14.000 Wohnungen. Keine einzige hat bisher Schallschutz. In den letzten Monaten hat Mehdorn alles darauf konzentriert, damit zuerst 4300 Haushalte an der neuen BER-Südbahn bis 30. September die Bewilligungen erhalten. Nur dann darf ab März 2015 auf der Südbahn geflogen werden – um die alte Schönefelder Nordbahn sanieren zu können. Verschickt wurden 3000 Bescheide, für die fehlenden 1300 macht Mehdorn Versäumnisse von Anwohner verantwortlich. Ob die Behörden dem folgen, ist offen.

ORGANISATION UND MANAGEMENT

Die Entscheidungs-, Kommunikations- und Führungsstrukturen sind mangelhaft. Das ist der Befund von Technikchef Marks, nach einem Monat im Amt. „Es gibt keine gemeinsamen Begehungen und nur unzureichende Baubesprechungen. Die Zuständigkeiten der Ansprechpartner wechseln häufig“, schrieb er. „Dadurch ergeben sich undurchsichtige Entscheidungsprozesse. Wir sind zu langsam (lange Antwortzeiten), zu kompliziert (Planungen selbst bei Kleinigkeiten) und zu unverbindlich (wer entscheidet und bis wann).“ Aktuell sucht der Flughafen einen „Koordinator Projektsteuerung“ und zwar „ab sofort“. Er wird benötigt für die „Koordination und Steuerung des Projektsteuerers und der Projektbeteiligten.“ Ein Steuerer zur Steuerung des Steuerers.

AUSBLICK

Der interne Fahrplan Mehdorns sieht vor, den BER 2016 zu eröffnen. Angesichts der geringen Fortschritte und der Risikofülle wird das knapp. Unwahrscheinlich ist, dass Mehdorn dem Aufsichtsrat am 12. Dezember – am Tag nach dem Rücktritt von Klaus Wowereit als Regierender und als Aufsichtsratschef – einen Eröffnungstermin verkünden kann – jedenfalls keinen verbindlichen, wie die Vorgabe lautet. Zudem fehlt für die jüngste, von den Parlamenten bisher nicht beschlossene Kapitalspritze über 1,1 Milliarden Euro das grüne Licht aus Brüssel. Auch hier gibt es bereits Verzug. Die Baugenehmigung für das neue Terminal läuft 2016 aus. Jeder Monat, um den sich die Eröffnung verzögert, kostet 17 Millionen Euro. Das sind Tag für Tag eine halbe Million Euro.

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