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Berlin: Heilsamer Teamgeist

Medizintechnik-Firmen der Region setzen auf ein Netzwerk, um die Auftragslage zu verbessern

Der Mann kennt das Einzelkämpferdasein zur Genüge. Zehn Jahre lang hat Uwe Ahrens das von ihm gegründete Unternehmen Aap Implantate AG aus eigener Kraft nach vorne gebracht. Andere Firmen sah er nur als Konkurrenten, Kooperation war ein Tabu. Das Umdenken begann vor fünf Jahren, berichtet der 53-jährige Unternehmer. Da kam er zur Industrie- und Handelskammer, um den Ausschuss für Innovation, Technologie und Industrie zu leiten. „Ich überlegte, wie Berlin besser mit seinen Pfunden wuchern kann“, sagt Ahrens. Aap beschäftigt heute 139 Mitarbeiter und macht mehr als 13 Millionen Euro Jahresumsatz. Vergangenes Jahr hat sich Ahrens aus dem Tagesgeschäft seiner Firma zurückgezogen, künftig will er im Aufsichtsrat wirken.

Eine Idee reifte, die bei ihm als Lokalmatador der Medizintechnik nahe lag: Ein Verbund unterschiedlicher Unternehmen der Branche, die gemeinsam ihre Produkte und Dienste koordinieren und vermarkten. Daraus entstand vor knapp drei Jahren mit Hilfe der Technologiestiftung Berlin ein Projekt, das heute als beispielhaft für die Berliner Wirtschaft gilt: Das inzwischen acht Unternehmen umfassende Medizintechniknetzwerk Berlin-Brandenburg, kurz medtecnet.

„Es ist extrem wichtig für die Region, dass unsere Unternehmen sich vernetzen“, sagte Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei/PDS) kürzlich bei einer Rundfahrt zu Medizintechnik-Firmen, bei der er auch in den Produktionsräumen von Aap in Tempelhof medtecnet-Mitglieder traf. Wolf sieht den vom Bundeswirtschaftsministerium mit 350 000 Euro geförderten Verbund als Pionier dafür, wie das wirtschaftlich hinter dem Bund hinterherhinkende Berlin seine Stärken besser ausspielen kann. Die Gesundheitsbranche gehört mit den Bereichen Medizintechnik und Biotechnologie zu den Wirtschaftsbereichen, die in Berlin als wachstumsstarke „Kompetenzfelder“ besonders gefördert werden solle (siehe Kasten).

Netzwerksprecher Ahrens sieht das medtecnet nur als Beginn eines viel versprechenden Weges auch für andere Branchen. Der mit vier Leuten gegründete Stammtisch, zu dem er monatlich Branchenvertreter einlädt, werde inzwischen von 20 Unternehmens-Chefs regelmäßig besucht, stetig wachse der Kreis, aus dem sich auch mögliche künftige medtecnet-Mitglieder ergeben. Die wichtigste Stoßrichtung des „medtecnet“ ist der Berliner Markt, sagt Ahrens. In den Kliniken und Gesundheitsbetrieben der Stadt gebe es ein geschätztes Einkaufsvolumen von einer Milliarde Euro, das bisher nur zu einem kleinen Teil von Berliner Firmen abgeschöpft werde, unter anderem, weil man die in den Kliniken kaum kenne. „Wenn wir als kleine und mittelständische Unternehmen besser zusammenarbeiten, können wir unsere Kosten senken und unseren Service verbessern, sodass wir mit den großen Konkurrenten von außerhalb, vor allem aus den USA, mithalten können“, sagt Ahrens.

So laden die medtecnet-Mitglieder zwei bis drei Mal im Jahr Klinikleiter zum zwanglosen „Business Club“ ein, berichtet Harald Mylord von der Technologiestiftung Berlin, der die Medizintechnikbranche betreut und als Projektmanager des medtecnet fungiert. Auch den Workshop für Klinikeinkäufer, zu dem kürzlich ein Dutzend Teilnehmer kam, verbucht er als Erfolg.

„Gemeinsam können wir den Krankenhäusern besser praktische Lösungen anbieten und ihnen bei der Profilbildung helfen“, sagt Verbundsprecher Ahrens. Auch die Zusammenarbeit bei Entwicklung, klinischer Erprobung, Fertigung und Vertrieb bringe Vorteile. „Gemeinsam erreichen wir die nötige kritische Masse, um uns gegen Konkurrenz durchzusetzen.“

An konkret nachweisbaren Umsätzen hat das Netzwerk laut Mylord zwar bislang erst 100 000 Euro eingebracht, die drei Unternehmen für einen Auftrag bekamen, der dem Projektmanager zufolge ohne das Netzwerk nicht zustande gekommen wäre. Aber die Mitglieder der Gruppe, die einen jährlich wachsenden Anteil der Netzwerk-Kosten selbst zahlen, bevor die Bundesförderung nach drei Jahren endet, zielten weniger auf schnelle Umsätze. „Es geht vor allem darum sich erst einmal in den Krankenhäusern einen Namen zu machen.“ Auch die Kooperation bei Forschungsprojekten ist langfristig angelegt. So hätten kürzlich zwei Unternehmen ein gemeinsames Projekt zur Knieuntersuchung ohne größere Eingriffe entwickelt, das nun vermarktet werden soll. Für ein weiteres Forschungsvorhaben von vier medtecnet-Mitgliedern mit der Charité und anderen Partnern sind die Förderanträge gestellt.

Manchmal führt schon ein Gespräch am Stammtisch zu Wettbewerbsvorteilen. So habe man neulich die Versicherungen der Unternehmen verglichen, dabei stellten einige fest, dass sie 30 Prozent mehr zahlten als andere Firmen, berichtet Uwe Ahrens. Dennoch ist die Angst vor der Konkurrenz der Partner im Hintergrund stets präsent, gesteht der Verbundsprecher ein. „Natürlich befürchtet man, dass das eigene Know-how abwandert, aber am Ende überwiegt der Gewinn fürs Unternehmen, Kooperation bringt mehr Nutzen als Schaden.“ Ahrens’ Motto: „Je größer das Cluster, desto besser.“ Das illustriert er mit einem anschaulichen Beispiel: „Wenn Sie fünf Autohändler nebeneinander haben, dann ziehen die auch mehr Kunden an, als wenn die über die Stadt verteilt sind.“

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