zum Hauptinhalt
Auch die Kältezentrale von Vattenfall öffnete am Aktionstag ihre sonst stets verschlossenen Türen. Sie klimatisiert die Gebäude um den Potsdamer Platz.

© Mike Wolff

Heizkosten: Andrang beim Aktionstag "Berlin spart Energie"

Hohe Kosten für Heizung, Strom und Warmwasser beschäftigen die Berliner – und der Stadtentwicklungssenator kündigte ein neues Gesetz an, um die Energiewende in Berlin voranzubringen.

Beim Mieterverein in der Spichernstraße herrschte schon am Morgen Gedränge. Im Solarhaus in Oberschöneweide kamen die Studenten der Hochschule für Technik und Wirtschaft aus dem Erklären gar nicht mehr raus. Im Energiespar-Beratungsbus der Ingenieurgesellschaft Mutz standen Menschentrauben um Toaster mit Deckel, Wasserkocher mit Temperaturvorwahl, Energiesparlampen, elektronische Heizkörperventile. Und in der Hightech-Tischlerei Artis am Columbiadamm stellte der Chef Wolf Deiß erleichtert fest, dass er statt der maximal erwarteten 40 auch 70 Leute an einem Tag durch sein energetisch perfektioniertes Firmengebäude führen konnte. Wen man auch fragte: Der – vom Tagesspiegel als Medienpartner begleitete – Aktionstag „Berlin spart Energie“ am Sonnabend war eine erfolgreiche Premiere.

Zu den mehr als 70 Veranstaltungen gehörte auch eine Diskussionsrunde, auf der Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) eine veränderte Auflage des Klimaschutzgesetzes ankündigte. Anfang 2013 wolle die Verwaltung den Entwurf eines „Energiewendegesetzes“ vorlegen. Anders als der Entwurf aus der vergangenen Legislaturperiode solle es eine Startphase mit freiwilligen Maßnahmen enthalten und technologieoffen sein, so dass jeder selbst entscheiden kann, wie er den Energiebedarf oder den CO2-Ausstoß seines Gebäudes verringert.

Aus Sicht vieler Berliner Akteure ist die Bundesregierung allerdings gerade dabei, die Energiewende zumindest unter den Berliner Rahmenbedingungen zum Scheitern zu verurteilen. Er sei „unglücklich“ über die extrem strengen energetischen Vorgaben des Bundes für Neubauten, sagte Müller. Denn dadurch könnten die in Berlin dringend benötigten neuen Wohnungen nicht zu volkstümlichen Preisen errichtet werden, während gleichzeitig der – beim Energieverbrauch insgesamt viel bedeutsamere – Gebäudebestand vernachlässigt werde.

Aus Sicht von Reiner Wild, Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins, „ist die soziale Dimension bei der Bundesregierung überhaupt noch nicht angekommen“. Bundesweit seien rund ein Drittel der etwa 20 Millionen Wohnungsmieter auf eine Form sozialer Unterstützung angewiesen und könnten folglich auch keine modernisierungsbedingten Mieterhöhungen bezahlen. Nach Auskunft von Wild hat der Mieterverein anhand 100 ausgewerteter Modernisierungskonzepte ermittelt, dass die Kaltmiete um durchschnittlich 1,84 Euro pro Quadratmeter erhöht worden sei, während die Mieter aber nur 50 Cent Betriebskosten sparen würden. Nach Auskunft von Müller war es auch dieses Missverhältnis, an dem die rot-rote Vorgängerkoalition den früheren Gesetzentwurf scheitern ließ. Weil eine Berliner Bundesratsinitiative zur Senkung der Modernisierungsumlage von höchstens elf auf neun Prozent in der Länderkammer keine Mehrheit findet, soll in Berlin eine entsprechende Landesregelung gelten.

Besonders zahlreich waren bei dem Aktionstag kleinere private Bauherren und Hauseigentümer unterwegs, die sich im Dschungel von Kosten und Fördermöglichkeiten nur schwer zurechtfinden. Zugleich sind sie diejenigen, bei denen die größten Einsparpotenziale zu heben sind. Die großen Wohnungsunternehmen dagegen haben ihre Bestände „zu 80 Prozent durchsaniert“, wie Maren Kern, Vorstand des Unternehmensverbandes BBU, kürzlich sagte. Weitere Energiesanierungen „kriegen wir nicht mehr warmmietenneutral hin“. Da auch die Energiekosten immer weiter steigen, dürfte der erste Aktionstag nicht der letzte gewesen sein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false