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Berlin: Helmut Kohl wieder zu Gast vorm Rathaus Schöneberg

Diesmal wurde die Nationalhymne einigermaßen ordentlich gesungen

Das hat Helmut Kohl nie vergessen: Wie er am 10. November 1989 gemeinsam mit Willy Brandt, Hans-Dietrich Genscher und Walter Momper auf der Freitreppe des Rathauses Schöneberg stand, und auf dem John-F.-Kennedy-Platz herrschte das Chaos. Trillerpfeifen und Buh-Rufe und am Ende der Kundgebung, einen Tag nach dem Fall der Mauer in Berlin, ein ziemlich verkorkstes Absingen der deutschen Nationalhymne. Die alternative „Tageszeitung“ schenkte die Tonaufnahme später ihren Lesern als Schallplatten-Beilage.

Auch gestern erinnerte sich der Alt-Kanzler wieder, als er – fast 13 Jahre später – auf dem gleichen Platz stand, um in Berlin vermutlich zum letzten Mal für die CDU in einen Bundestagswahlkampf zu ziehen. Diesmal nicht auf der Rathaustreppe, sondern auf einer großzügig abgeriegelten Rednerbühne an der Südseite; nur Gäste mit Eintrittskarten und Journalisten bekamen Zugang. „Ich stand dort oben und bin ausgepfiffen worden von jenem linken Pöbel, der die Stadt beherrschen wollte“, rief Kohl. Aber die Geschichte sei über diese Leute hinweggegangen. Wohl nicht ganz. Auch diesmal wurde – von ganz hinten – gerufen und gepfiffen, aber eher zurückhaltend, und die Jungsozialisten hielten ordentlich gedruckte Schildchen hoch, auf denen stand: „Wir lassen uns nicht verkohlen und zerstoibern.“

Den Platz dominierten aber Deutschlandfahnen, die der CDU-Nachwuchs mitgebracht hatte, und ein großes, bemaltes Bettlaken, mit dem der „Vater der Einheit“ begrüßt wurde. Umringt von den Berliner Wahlkreiskandidaten und zusammen mit CDU-Landeschef Christoph Stölzl schritt Kohl punkt 18 Uhr unter Fanfarenklängen aus dem Rathaus Schöneberg zum Rednerpodium. Etwa 500 Menschen, die politischen Gegner eingeschlossen, waren zur Wahlkampfkundgebung gekommen. „Bei schlechtem Wetter findet die Veranstaltung im Rathaus statt“, hatte der zuständige CDU-Ortsverein vorsichtshalber mitgeteilt. Aber es war schönstes Sommerwetter und die Stimmung feierabendlich locker.

Worüber wollte Helmut Kohl, der für den Bundestag nicht wieder zur Wahl steht, sprechen? „Über die Lage unseres Landes“, und das tat er über eine Stunde. Redete über Arbeit, Bildung und Europa und beklagte sich über „die sozialistischen Verleumdungskampagnen.“ Die Union dürfe sich jetzt nicht einlullen lassen; die SPD werde alles tun, um die Regierungsmacht im Bund zu behalten. Ende der Rede, und wieder wird die Nationalhymne gesungen – dieses Mal einigermaßen ordentlich. Ulrich Zawatka-Gerlach

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