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Berlin: Hendrik Mann (Geb. 1969)

„Wenn’s mir mal scheiße ging, war’s bei Union genauso“

Auf der letzten großen Fahrt, der Ehrenfahrt aller drei Schiffe, war er nicht mehr an Bord, der Kapitän, da saß er schon auf der himmlischen Tribüne. Die „Viktoria“, die „Helgard“ und die „Angela“ stachen am 11. Juli um 19 Uhr für Eddy in See. Vom Berliner Dom zum Anleger Mecklenburger Dorf in Köpenick, wo sie immer hielten, wenn sie Unioner und Gäste zum Stadion schipperten. Am Uferrand, auf den Brücken, an den Anlegestellen hunderte Union-Fans, Fackeln brannten, rote und weiße Rosen regneten, und aus allen Kehlen erscholl der Schlachtruf: „Eisern Union! Eisern Union!“ Denn Hendrik, den alle Eddy nannten, war einer von ihnen, einer der treuesten.

Die Spreedampfer des „Fahrgast- Schiffsbetriebes Eddyline“ sind einfach zu erkennen, alle drei fahren in Rot-Weiß, den Farben des 1. FC Union Berlin. Bei Union war Eddy seit 1978. Das Jahr, in dem sein Vater starb, „doofes Jahr“. Eddy musste allein zum Fußball und beneidete die, die mit ihrem Papa hingingen. Kurz darauf hatte er Autogramme von Wolfgang Matthies und Achim Sigusch. „Womit ich in der Schule der Star war!“ Die beiden blieben seine Lieblingsspieler. Es gab Monate, in denen er nicht ins Stadion konnte, weil er zur See fuhr. „Aber ich habe Union immer im Auge behalten. Kurioserweise war es immer so: Wenn’s mir mal scheiße ging, war’s bei Union genauso. Wenn’s bei Union aufwärtsging, ging es bei mir auch aufwärts.“

Vorwärts vor allem. Erst als Vollmatrose an Bord der MS Rostock von Sassnitz nach Trelleborg, dann mit den großen Schiffen ins Chinesische Meer und Jahre später wieder zurück nach Berlin als Schiffsführer. „Eddy, der Sorglose“ nannten ihn seine Kollegen. Den Namen hat er behalten und mit seiner Reederei in ganz Berlin bekannt gemacht. Im Jahr 2005 hat er die „Viktoria“, sein erstes eigenes Schiff, übernommen. „Und die wird immer schöner“, befand er stolz, denn die „Viktoria“ war die Erste, die das Union-Logo trug.

„Das erste Mal, als die Mannschaft zu mir an Bord kam, hatte ich Tränen in den Augen. Wir haben das Mannschaftsfoto gemacht. Dazu haben wir mitten am Tag die Spree komplett dichtgemacht. Verbotenerweise. Oben auf der Brücke die Fans, unten auf dem Schiff die Mannschaft.“

Ein Fan, das ist ein Mensch mit einem ganz großen Herzen, sonst würde kein ganzer Verein reinpassen, schon gar nicht einer wie Union, der ja nicht immer auf Rosen gebettet ist. Eddy war einer von denen, die zupacken, wenn Hilfe gefragt war. Der auf Auswärtstouren dabei war, im Trainingslager, der Geld gab für die Jugend und die Leute begeisterte für seine Mannschaft.

„Tach! Ich habe ein Schiff und ich bin Unioner!“ So stellte er sich im Verein vor. Er war stolz und zuversichtlich: „Union wird niemals untergeh’n.“

Nicht solange Eddy am Steuer seiner Schiffe stand. Denn: „Geht nicht gibt's nicht. Alles wird gut.“ Auch was die Liebe anging, obwohl er da reichlich Anlauf brauchte. Im Jahr 2013 gab er Simone das Jawort, an Bord der „Victoria“. Mit Gehrock und Zylinder. Da waren sie schon viele Jahre unzertrennlich. Eddy als Bräutigam! Das wollte er eigentlich erst, wenn Union Deutscher Meister wird.

Er hatte nun mal das Glück, das anderen fehlte. „Es gibt bestimmt Leute, die sind fleißiger, die sind besser als ich, aber die hatten nicht das Glück, die richtigen Menschen kennenzulernen. Da musst du abgeben können. Wenn du dir ansiehst, wer auf der Straße lebt, wer ärmer ist als du – das sind keine dummen Leute. Die sind manchmal total unverschuldet da reingeraten.“ Und weil das so ist, kümmerte er sich nicht nur um Union, sondern auch um die Obdachlosen. „Jetzt gucken wir mal wieder nach den anderen.“

Dabei war er es, um den sich alle sorgten. Er wirkte immer noch gesund und stark, hatte sich wie zum Trotz eine „Boss Hoss“ zugelegt, V8-Motor, 500 Kilo, mit der er über das Hafengelände gondelte, bis Simone die Wimperntusche verlief. Erst war es der Fahrtwind, dann waren es die Tränen. Denn Eddy hatte den Krebs nicht besiegt.

Ein Seemann braucht das Meer, das Wasser trägt dich, macht dich leicht. Als könntest du fliegen. „Nun geht Eddy jung bejahrt zum letzten Mal auf große Fahrt, er fühlte es und war bereit fürs weite Meer der Ewigkeit.“

Mit herzlichem Dank an Stefanie Fiebrig, die über Hendrik Mann im "Maulbeerblatt" geschrieben hat.

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