zum Hauptinhalt
Tanz in den Frühling. Die Roma verstehen zu feiern.

© Georg Moritz

Herdelezi: Feiern gegen Vorurteile

Neuköllns Roma luden zum Straßenfest

Georgi Ivanov hat ganze Arbeit geleistet. Kunstvolle asymmetrische Zopfgeflechte hat der 28-jährige Sozialpädagoge aus den dunklen Haaren von fünf Mädchen gemacht – alle tragen sie auf der linken Kopfseite. Jetzt tanzen die fünf jungen Rumäninnen auf einer Bühne, die am Sonnabend mitten auf der Neuköllner Boddinstraße aufgebaut ist – graziös lassen sie die Hände kreisen und drehen sich im Kreis. Um die Bühne herum klatschen Jugendliche begeistert. Die meisten von ihnen sind wie die Tänzerinnen Roma.

„Herdelezi“ steht in bunten Buchstaben auf einem Banner, das quer über die Borsigstraße gespannt ist. Trotz des nasskalten Wetters feiern Roma, andere Anwohner und Gäste an diesem Sonnabend ein traditionelles Frühlingsfest: das „Herdelezi Roma Kulturfestival“. In Balkanländern wie Mazedonien, Serbien oder Bosnien wird es oft über mehrere Tage gefeiert. „Das Fest hat mit dem Alten Testament zu tun“, sagt Slavisa Markovic. „Deshalb feiern es sowohl Christen als auch Muslime.

Markovic vom „Rroma Aether Klub Theater“ hat eine Videoprojektion und Theatervorführungen vorbereitet – zum Thema: „Roma auf dem Weg“. Vor seinem Theater wird „Urheimat im Glas“ verkauft – das indische Getränk „Lassi“. „Roma und Sinti sind wohl ursprünglich aus dem gleichen Gebiet in Indien aufgebrochen“, erklärt Markovic. „Die Roma sind eher in Osten Europas gelandet, die Sinti im Westen.“ Er habe vor einigen Jahren die Idee zu diesem Fest gehabt. Es passt gut in den Flughafen-Kiez.

Am liebsten mit Musik. Und zwar nicht nur auf der Bühne, sondern auch mitten im Publikum - statt auf der Bühne. Foto: dpa
Am liebsten mit Musik. Und zwar nicht nur auf der Bühne, sondern auch mitten im Publikum - statt auf der Bühne. Foto: dpa

© dpa

Hier wohnen viele Roma, die meisten kommen inzwischen – anders als der aus Serbien stammende Markovic – aus Rumänien und Bulgarien. Sie ziehen seit dem EU-Beitritt 2007 vermehrt in die Stadt und werden oft nur als Problem wahrgenommen. Etwa, weil es schwierig ist, ihre Kinder, die oft kein Deutsch können und nicht alphabetisiert sind, in den Schulen zu integrieren.

„Als ungebildet und integrationsunwillig, manchmal auch als Sozialschmarotzer und Kriminelle“ würden Roma oft dargestellt, heißt es auf einer Mitteilung des Verein Amaro Foro, der das Herdelezi-Fest inzwischen organisiert. Es soll für „eine positive Wahrnehmung“ sorgen. 40 Mitglieder hat der Verein, die Hälfte sind Roma. Einige sind schon lange in Berlin, andere erst kurz.

„Das Fest soll ein Ort sein, an dem sich Roma und Nicht-Roma begegnen“, hat ein Vereinsmitglied vor dem Auftritt der Mädchen auf der Bühne gesagt. Wer beim Verein mitmachen wolle, könne sich gern beim Infostand erkundigen. Der Verein betreut Kinder und Jugendliche – wie die fünf Mädchen mit den Zopfgeflechten. Einer der Betreuer ist Sozialpädagoge Georgi Ivanov, selbst Roma und für ein „Europäisches Freiwilligenjahr“ nach Berlin gekommen. So eine Feier sorge für Freundschaft, sagt er. Auch mit türkischen und kurdischen Vereinen, die sich am Fest beteiligen.

Das Fest solle zur Integration und zum Abbau von Vorurteilen beitragen, sagt Vereinsmitglied Stephan Usung, der selbst kein Roma ist. Außer den Roma feiern viele jüngere Leute mit, die bildungsbürgerlich wirken. Ein junger Mann mit blondem Bart und kleiner Brille wippt eifrig zu den Akkordeonklängen der Musikgruppe „Balkan Express“: „Das hier ist mein Kiez, wenn hier gefeiert wird, dann feiere ich mit.“

Zur Startseite