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Berlin: Hetzjagd-Urteil: Anwältinnen kämpfen für härtere Strafen

Sie wollen den Richterspruch nicht hinnehmen: Die Kreuzberger Anwältinnen Christina Clemm und Undine Weyers, die im "Hetzjagd-Prozess" einen Bruder des toten Algeriers Farid Guendoul vertreten haben, werden im Auftrag ihres Mandanten Revision beantragen. "Das Urteil zeigt die ganze Unfähigkeit des Gerichts", empört sich Christina Clemm.

Von Frank Jansen

Sie wollen den Richterspruch nicht hinnehmen: Die Kreuzberger Anwältinnen Christina Clemm und Undine Weyers, die im "Hetzjagd-Prozess" einen Bruder des toten Algeriers Farid Guendoul vertreten haben, werden im Auftrag ihres Mandanten Revision beantragen. "Das Urteil zeigt die ganze Unfähigkeit des Gerichts", empört sich Christina Clemm.

Am letzten Montag bestrafte das Landgericht Cottbus, wie berichtet, nur einen von elf Angeklagten wegen des gewaltsamen Todes von Guendoul mit Freiheitsentzug. Die rechtsextreme Clique hatte im Februar 1999 im ostbrandenburgischen Guben drei Afrikaner gejagt. Der Asylbewerber Farid Guendoul alias Omar Ben Noui zertrat in Panik eine Glastür und erlitt schwere Schnittverletzungen. Nach Minuten war er verblutet.

In der Cottbuser Staatsanwaltschaft ist die Neigung, in Revision zu gehen, eher gering. Doch zumindest ein Verteidiger wird ebenfalls Revision beantragen. "Das ist selbstverständlich", sagte gestern Helmut Dittberner, der Daniel R. vertritt. Der 20-Jährige war, auch wegen anderer Straftaten, zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Nach Abgabe der Revisionsanträge wird der Bundesgerichtshof, schätzt Christina Clemm, in etwa einem Jahr entscheiden. Sollte der BGH das Urteil aufheben, muss der Hetzjagd-Prozess an einer anderen Jugendstrafkammer in Brandenburg wiederholt werden.

Zwei Punkte sind für Clemm von zentraler Bedeutung: Das qualvolle Sterben von Farid Guendoul wurde in Cottbus nur als fahrlässige Tötung gewertet. "Aber so, wie das Gericht in seiner Urteilsbegründung die Tat selbst beschrieben hat, muss mindestens gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge bestraft werden", fordert die Anwältin. In der Urteilsbegründung hatte das Gericht betont, Farid Guendoul sei für den Sprung in die Glastür nicht verantwortlich zu machen. Vielmehr hätten ihn die Verfolger dazu getrieben. Und alle Angeklagten hatten den Vorsatz, einen Menschen zu verletzen.

Nächster Punkt: Es wurden nicht einmal alle Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Drei der jungen Gubener sprach das Landgericht von diesem Anklagevorwurf frei. Andererseits wurden auch diese Angeklagte für schuldig befunden, Farid Guendoul und seine beiden Begleiter zur Flucht genötigt zu haben. Das Gericht hielt den freigesprochenen Männern jedoch zugute, sie hätten "nur" in den Pkw der Clique an der Verfolgung teilgenommen. Ausgestiegen, um die drei Afrikaner zu misshandeln, seien diese Angeklagten nicht.

Die Revision könnte teuer werden. Sollte der Bundesgerichtshof den Antrag ablehnen, wären Kosten in Höhe von 40 000 Mark zu erwarten, sagt Clemm. Ein Teil macht ihr eigenes Honorar aus. Bei einer Niederlage vor dem BGH müssten allerdings auch die Kosten der Verteidiger jener Angeklagten übernommen werden, gegen die der Revisionsantrag gerichtet war. Das sind die sechs Schläger, die zur Tatzeit mindestens 18 Jahre alt waren. Im Fall der jüngeren Angeklagten ist für die Nebenklage laut Strafprozessordnung keine Revision möglich.

Der Verein "Opferperspektive" ruft dazu auf, die Revision von Malik Guendoul, dem Bruder des Toten, mit Spenden zu unterstützen. Bei der Mittelbrandenburgischen Sparkasse Potsdam steht unter dem Stichwort "Revision" das Konto der "Opferperspektive" zur Verfügung. Die Nummer lautet 350 201 6703, die Bankleitzahl 160 500 00. Sollten die Spenden die Revisionskosten übertreffen, geht der Restbetrag an die notleidende Familie Guendoul in Algerien.

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