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Berlin: Heulen an der Wolfsschanze

Ketrzyn, km 3591: An Hitlers Hauptquartier warten Fremdenführer – und Überraschungen

In der Wolfsschanze ist alles unheimlich: Der Name des Ortes, das Vogelgezwitscher über den Trümmern im Wald, der Campingplatz neben den Bunkern und nicht zuletzt der polnische Guide. Einstündige deutschsprachige Führung für elf Euro war der Deal. Nicht vereinbart war, dass er die Geschichte des Ortes im Tonfall Hitlers erzählen würde, der hier im ostpreußischen Wald unter acht Metern Beton die größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte veranlasste.

Nun sind wir also unterwegs und bekommen unter den interessierten Blicken Dutzender polnischer Besucher lautstark einen HitlerMussolini-Dialog dargeboten. Sinngemäß geht es darum, dass Mussolini angesichts der hiesigen Mückenplage Angst vor einer Malaria-Infektion bekam und Hitler erwiderte, deutsche Mücken seien gute Mücken, die keine Krankheiten verbreiteten.

Der Fremdenführer, Jaroslaw Zarzecki heißt er und ist 42 Jahre alt, hat ein Buch über die Wolfsschanze veröffentlicht. Als einer von mehreren Fremdenführern dreht er täglich diverse Runden über das 240 Hektar große Gelände. Die Forstverwaltung hat das längst zum Touristentreff gewordene Areal einem privaten Betreiber verpachtet.

Die Nazis selbst haben die etwa 30 Bunker bei ihrem Rückzug Anfang 1945 gesprengt. An einigen Stellen hängen Betonbrocken an der herausgerissenen Armierung. Im Vorbeigehen sagt Zarzecki: „Der Stahl ist über 60 Jahre nicht gerostet. Qualitätsstahl.“ Wichtig ist ihm auch das Denkmal für die polnischen Pioniere, die die Minen rund um die Wolfsschanze ausgegraben haben. Offiziell sei von drei Toten die Rede, sagt Zarzecki. Seine Recherchen hätten 22 Opfer ergeben. Das Denkmal, das die Hitler-Attentäter um Graf Stauffenberg ehrt, ist ihm noch einen kurzen Stopp wert; den eine Woche später aus der Wolfsschanze ergangenen Befehl Hitlers, beim Warschauer Aufstand keine Gefangenen zu nehmen, erwähnt er nicht. Aber den Namen des Ortes erklärt er: „Wolf war Hitlers Pseudonym in der Partei.“ So bekommt der Besucher alles in allem eine Führung, die sich mit „Der Führer privat“ betiteln ließe. Aber schlau wird man daraus nicht.

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