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Reiche Beute. Die Schwestern Annika und Julia aus Lichtenrade fanden gleich drei Umschläge mit Geld.

© Mike Wolff

Hidden Cash: Die Suche nach dem Geld: Überfall auf die Parkbanken im Tiergarten

Es war wie Ostern, aber mit größeren Geschenken und kleinem Polizeieinsatz: die Geldsuch-Aktion „Hidden Cash“ Erst am Sonntagmorgen kam der entscheidende Hinweis des Spenders auf das Versteck.

Es war der bisher heißeste Ostersonntag im Tiergarten und der erste, an dem die Polizei anrücken musste, um den Steppengarten beim Goldfischteich vor der völligen Versteppung zu bewahren. Denn an diesem Sonntag stieg hier im Gebüsch die von Twitter und der Weltpresse angekündigte Aktion „Hidden Cash“: Jason Buzi, jener israelisch-amerikanische Immobilienmillionär mit der generösen Ader, wollte Umschläge mit Geld unters findige Volk bringen, wie er es zuvor bereits mehrfach in den USA und zuletzt in Großbritannien getan hatte. Bisherige Bilanz: rund 60000 verteilte Dollars und ein ruinierter Park in Kalifornien.

Am Sonntagmorgen twittert der Spender also den entscheidenden Hinweis. „Tiergarten: in Parkbanken oder unten, zwischen Steine in Bäume, in der Nähe von Mülleimern in kleines Häuschen rund um den Teich“, heißt es wörtlich.

Ein Überfall auf Parkbanken also. Als es um 10 Uhr los geht, ist der Tiergarten voller Menschen, die auf ihre Smartphones stieren und ihre kurzen Hosen bereuen, weil die Brennnesseln im Unterholz prächtig stehen. 24 Umschläge mit jeweils 50 bis 100 Euro sind versprochen. Dass die Berliner für Beträge dieser Größenordnung einiges auf sich nehmen, ist seit der S-Bahn-Krise gewiss, auf deren Gipfel die Zahl der Neukunden plötzlich sprunghaft wuchs, weil die Verzögerungen im Betriebsablauf einen Monat lang gratis angeboten wurden.

Überall schleichen also Menschen durchs Gebüsch, die der Natur sonst selten so nahe kommen. Jugendgruppen vor allem, aber auch Paare. „Verteilen muss man sich schon“, schallt die Anweisung eines Familienvaters aus dem Dickicht. Ein anderer Vater trägt sichtlich schwer an der Last des Söhnchens auf seinen Schultern, während seine Frau einen Mülleimer inspiziert, dessen Inhalt Krähen oder Konkurrenten bereits ringsum verteilt haben. Die Leute sehen aus, als hätten sie einen Schlüssel verloren oder suchten Pilze. Und die Unbeteiligten, die einfach twitter- und sorgenfrei im Schatten flanieren wollen an diesem schwülheißen Tag, betrachten die anderen voller Missbilligung. „Also, diese Touris zerlatschen hier alles und klettern sogar über die Absperrgitter!“ echauffiert sich eine ältere Touristin aus dem Saarland, während sie auf einer Bank am Goldfischteich sitzt und hinter ihr gerade zum zirka 35. Mal einer das zugewucherte Dach der Hütte neben dem Steppengarten erklimmt, in deren Gebälk vorhin tatsächlich ein Umschlag gefunden wurde. Weitere steckten an Laternen, Bänken und Mülleimern; teils eingerollt, aber durchaus findbar. Als die Frau von der Aktion erfährt, sagt sie: „Vielleicht macht der das ja auch mal bei uns im Saarland.“

Auch andere gewagte Thesen machen die Runde am Goldfischteich. Das Geld könne ja im Wasser liegen, meint jemand. Ein Paar diskutiert, später wiederzukommen, wenn es leerer ist. Aber zu dieser Zeit, am frühen Mittag, geben die ersten schon auf. „Hier ist doch jedes Blatt schon dreimal umgedreht worden“, mault ein Mädchen und verkündet lautstark seine Kapitulation. Auch die Polizisten, die per Lautsprecher die Leute aufgefordert hatten, die abgesperrten Beete zu verschonen, sind wieder weg. Jetzt trampeln alle wieder durch, teils mit Stöcken bewaffnet, aber ohne Beute. Wäre Buzi, der Spender, wirklich so ein toller Typ, ließe er auch dem Grünflächenamt Mitte noch einen Umschlag zukommen. Die 24, die er unters Volk bringt, dürften alle gefunden sein. Die ebenso vielen Reporter berichten jedenfalls von vielfachem Gekreische und stolz vorgezeigten Scheinen. Ein paar Mädels haben gleich drei Umschläge gefunden, ein Jugendlicher wohl sogar sechs, aber das wissen alle nur vom Hörensagen.

Mit wachsender Entfernung vom Goldfischteich entspannt sich die Stimmung. Sevcan, die von ihrer Nachtschicht im Krankenhaus hergekommen ist, zeigt lachend ihre Gummihandschuhe, mit denen sie auch heikles Terrain ergründen kann. Gefunden hat sie nichts, aber wenigstens war sie mit ihrer Freundin Meryem wenigstens mal wieder im Tiergarten.

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