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Berlin: „Hier war sonniges Italien“

Die Odyssee der italienischen Vertretung in Berlin findet nun ein Ende

Der nationale Ehrgeiz, sich im Ausland mit architektonisch anspruchsvoll gestalteten Ländervertretungen zu repräsentieren, war Ende des letzten Jahrhunderts allein aus Kostengründen die Ausnahme. Die meisten der 31 im Jahr 1898 in Berlin ansässigen diplomatischen Missionen residierten lediglich in feudalen Mietwohnungen, die in der Nähe des Schlosses oder um die Ministergärten lagen. Auch das Königreich Italien führte seine diplomatischen Geschäfte von 1903 an in fürstlichen, von Ernst von Ihne umgebauten Etagen des Palais Bethmann-Hollweg in der Wilhelmstraße. Ende der zwanziger Jahre nutzte Italien wie andere auch die Gunst der Inflation und erwarb eine elegante, von dem Berliner Architektenbüro Gropius / Schmieden entworfene Villa in der Viktoriastraße.

Erst mit den freundschaftlichen Verknüpfungen zwischen dem faschistischen Italien und Nazideutschland wuchs ein politisch ambitionierter Repräsentationsanspruch der Italiener in der Reichshauptstadt Berlin. 1933 kauften sie von dem jüdischen Bankier Goldschmied die so genannte Goldschmied‘sche Villa in der Standartenstraße (Matthäikirchstraße). Den Umbau der prunkvollen, von Alfred Messel entworfenen Villa nahmen Berlins „berühmteste Architekten“ vor, wie die jüdische Gesellschaftsreporterin Bella Fromm in ihrem „Geheimen Tagebuch“ notiert. „Beide waren – der reinste Zufall – Nichtarier.“ Bella Fromm schwärmt von einem einmalig schönen Interieur: „Das rauhe nördliche Klima erschien hier ausgelöscht. Hier war sonniges Italien. Es war als ob man in Venedig in einem der prächtigen Palazzi der Dogen wäre.“

All diese frühen Gebäude der italienischen Vertretungen in Berlin stehen heute nicht mehr. Sie fielen dem Krieg und den Planungen von Generalbauinspektor Albert Speer zum Opfer. Für die Welthauptstadt Germania wurden ab 1937 ganze Straßenzüge abgerissen, auch die Goldschmied‘sche Villa. Im Tausch erhielten die Italiener ein Filetgrundstück in der Tiergartenstraße. Rund um den kurfürstlichen Stadtpark wollten Hitler und sein Baumeister Speer zwölf repräsentative Botschaftsneubauten platzieren, unter ihnen die italienische, die – wie im Märchen – die Schönste von allen werden sollte. Nachdem zwei von italienischer Seite für den Neubau eingereichte Entwürfe abgelehnt wurden, wurde als Architekt der preußische Baubeamte Friedrich Hetzelt bestimmt. Um den Achsenpartner nicht all zu sehr zu brüskieren, legte Speers Generalbauinspektion fest, dass neben der italienischen Formensprache auch italienische Baustoffe verwendet werden sollten. 1939 reiste der italienische Architekt Clemente Busiri Vici, der sich weniger einer propagandistisch ausgerichteten Kulissenarchitektur als einer Fortführung der Moderne verschrieben hatte, nach Berlin, um die italienischen Interessen beratend zu vertreten. Sein Besuch blieb ohne Einfluss. Abgesehen vom pompösen Inneren wurde die Neorenaissance-Architektur von italienischer Seite begeistert aufgenommen. Als mit dem Kanzleiflügel ein erster Teil des Botschaftsbaus eingeweiht wurde, schrieb der damalige Botschafter Dino Alfieri im Mai 1941 pathetisch: „Zu den stolzesten seiner Art gehört dieser Bau, dessen rote Masse sich dem Tiergarten gegenüber erhebt.“

Von der gepriesenen Schönheit hatte Alfieri allerdings wenig. Als 1943 der Botschaftsbau provisorisch übergeben wurde, nahte schon der „Battle of Berlin“, die erste Serie großangelegter englischer Flächenbombardements. Im Herbst 1943 wurde das Diplomatenviertel schwer getroffen. Die Alliierten waren schon auf Sizilien gelandet, als in Berlin noch für Mussolins Rest-Republik der Botschafter Filippo Anfuso die letzten diplomatischen Geschäfte in einer herrschaftlichen Villa am Wannsee regelte.

In der Nachkriegszeit entwickelte sich der von Granaten schwer beschädigte Palast in der Tiergartenstraße zu einem unliebsamen Klotz am Bein. Nur der linke Seitenflügel ist unbeschädigt geblieben und konnte noch als Generalkonsulat genutzt werden. In den siebziger Jahren häte die italienische Regierung die Ruine am liebsten verkauft. Eine Summe von 9,5 Millionen Mark wurde zwischenzeitlich genannt. Auch die Frage eines Abrisses stand im Raum.

In den achtziger Jahren verpachtete Italien den Botschaftsbau dem Land Berlin für eine symbolische Jahresmiete von 55 Mark bis 2040. Es war geplant, dort die Akademie der Wissenschaften unterzubringen. Den Zuschlag für die Restaurierung erhielt die italienische Architektin Gae Aulenti , deren Entwurf der faschistischen Ästhetik mit einem gläsernen Keil den Garaus gemacht hätte. Einer Ausführung kam die deutsche Wende 1989 zuvor. Eine Klausel im Pachtvertrag sah dessen Auflösung im Falle einer Wiedervereinigung und der Verlagerung der Regierung nach Berlin vor.

Wenn nun also der Botschaftspalast am 26. Juni feierlich eingeweiht wird, ist es auch das erste offizielle Fest, das dort fast 60 Jahre nach der Fertigstellung des Palazzos begangen werden kann.

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