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Berlin: Hilde lebt

Das Knef-Musical „Der geschenkte Gaul“

Die lässt sich nicht unterkriegen. Da kämpft sich der Stehaufmensch Hilde auf den Brettern des ewig existenzbedrohten Hansa-Theaters durchs Kriegsende, macht Filmkarriere hier und in Hollywood, triumphiert als Broadway-Star, erfindet sich als Sängerin und Bestseller-Autorin, besiegt den Krebs . Auf der Basis des Musicals „Der geschenkte Gaul“, zu dem Hildegard Knef selbst ihre gleichnamige Biographie für eine (nie realisierte) Broadway-Produktion verarbeitet hatte, präsentiert die Moabiter Bühne Szenen und Lieder einer Vita, um deren Wahrheitsgehalt seit dem Tod der Diva Biographen und Nachruhmverwalter streiten.

Doch an diesem Abend, der durch die Präsenz der Hauptdarstellerin gerettet wird, geht es nicht um Fakten. Ina Nadine Wagler vermeidet trotz verblüffender Knef-Optik peinliches Kopieren. Sie setzt als Musical-Profi nicht auf Timbre, sondern Gesang, interpretiert Songs subtil gegen die Original-Version. Solche klugen Nuancen gehen ihr als Schauspielerin ab. Ihrem finalen Hit „Für mich soll’s rote Rosen regnen“, zart verspielt inszeniert, fehlt die Erfahrung der Dornen.

„Nicht mal Hitler hatte so schlechte Kritiken“, kommentierten Freunde der Knef nach dem Skandalfilm „Die Sünderin“ das Echo in der Heimat. Besser ist es auch dem Hansa-Theater in den letzten Jahren nicht ergangen, unter wechselnden Besitzern. Deren respektable Anstrengung, einem strukturell abstürzenden Kiez Volkstheater und Entertainment zu spendieren, wurde kaum vom Erfolg belohnt. Dabei gibt es wohl keinen Musentempel an der Spree, dessen Publikum im zwickenden Sonntagsstaat so kernig berlinisch daherkommt. Eigentlich müsste die Institution unter Denkmalschutz stehen, der freilich keine Qualität garantiert. Die letzte Premiere „Ministerwechsel“ war nicht nur musikalisch mickerig. Nun geben eine schwungvolle Band und farbige Arrangements der neuen Produktion Grund zur Hoffnung; Katharina Koch und Tina Nicole Kaiser als Frisierhauben-Damen schenken der Vorstellung mit dem Stripper-Benntnis „Ich zieh’ mich an und langsam aus“ den komischen Höhepunkt.

Einem auferstandenen Theater schaut keiner gern ins Maul, dennoch: Das platte Bühnenbild – ein Zaun, dessen Latten als Türen funktionieren – verrät nicht, ob diese Bretter die Welt bedeuten oder gar den Stall des Titeltieres. Straffe Regie (Thomas Grandoch, Christian Alexander Schnell) und der Einsatz besserer Lieder hätten der oft schleppenden Erzählung gut getan. Identifikation mit der Heldin, die zuletzt gefragt wird, wie sie am liebsten sterben wolle, bleibt aus. „Gar nicht“, hat die Knef gesagt.

Ihr Ehemann Paul von Schell immerhin wirkte erleichtert, als alles vorbei war und die Bühne nur noch ein paar zertretene rote Rosen schmückten. Er hatte doch etwas gebangt, dass Ina Nadine Wagler versuchen könnte, die Diva zu kopieren.

Hansa-Theater bis 20.11. und 4.-22.1., Mi bis Sa 20 Uhr, So 16 Uhr.

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