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Berlin: Hildegard Knef: Die Sonne scheint - es regnet keine roten Rosen

Die Sonne scheint auf das rotbraun-weiße Mehrfamilienhaus, in dem Hildegard Knef mit ihrem Mann Paul von Schell zuletzt lebte. Der dreistöckige Neubau steht einsam an einer stillen Straßenecke am Ortsrand.

Die Sonne scheint auf das rotbraun-weiße Mehrfamilienhaus, in dem Hildegard Knef mit ihrem Mann Paul von Schell zuletzt lebte. Der dreistöckige Neubau steht einsam an einer stillen Straßenecke am Ortsrand. Nur sehr gedämpft weht der Wind die üblichen ländlichen Samstagsgeräusche herüber: eine Kreissäge, Vogelgezwitscher, entferntes Hämmern. Der Metallzaun ist kaum hüfthoch, die junge Koniferenhecke noch spärlich. Das Gartentor steht offen. Die Jalousien der Parterrewohnung sind heruntergelassen, im Garten liegt Kinderspielzeug verstreut. Es gibt nicht das geringste Anzeichen dafür, dass der Weltstar, der hier lebte, gerade verstorben ist.Es regnet keine roten Rosen in Kleinmachnow.

Zum Thema Hildegard Knef: Bilder aus dem Leben einer Diva Chronik: Stationen ihrer Karriere Paul von Schell bittet, nicht gestört zu werden. "Es geht mir sehr, sehr schlecht", sagt er leise. "Ich brauche erst einmal Zeit, mich zu fangen." Er sieht unendlich blass und müde aus. Sein Name allein steht in eckigen Großbuchstaben an Klingel und Briefkasten. Die Schilder sind handgeschrieben und mit Klebestreifen befestigt. Wie Namensschilder eben aussehen, wenn man gerade erst umgezogen ist. Kaum jemand in Kleinmachnow wusste von der Diva, die sich im vergangenen Jahr mit ihrem Mann hier niedergelassen hatte. Nicht einmal der Nachbar, der mit der Schubkarre im Garten unterwegs ist und das Haus bestens im Blick hat. Herbert Zöllner wohnt seit 1955 hier und ist völlig überrascht, dass die Knef direkt nebenan lebte. Es hat sich ja so viel verändert in Kleinmachnow, sagt der 66-Jährige. Besonders an dieser uralten Pflasterstraße, deren andere Seite jetzt von aufgetürmtem Reisig und einem Birkenwäldchen gesäumt wird. Früher verlief dort die Mauer, genau gegenüber stand ein Wachturm. Wer nicht hier wohnte, kam nicht hierher - und daran hat sich wenig geändert.

Nach einer Weile spaziert eine Frau vorbei: Renate Funke wohnt hinter dem Wäldchen, auf der Zehlendorfer Seite. Die 65-Jährige gehört zu den wenigen, die Hildegard Knefs Adresse kannten. "Gott sei Dank, dass das kaum jemand weiß. So herrscht hier wenigstens Ruhe", sagt sie. Sie hat Paul von Schell manchmal beim Einkaufen getroffen und ist traurig und zugleich ein bisschen dankbar über die Todesnachricht. "Jetzt ist sie endlich erlöst. Das war doch kein Leben mehr; mit Rollstuhl und Sauerstoffgerät." Renate Funke hat die Knef verehrt, und dass der Star hier so unauffällig lebte, steigert ihren Respekt nur noch: Politiker wie Jörg Schönbohm, die hier wohnen, kriegen gleich noch ein Häuschen für ihre Bewacher gebaut, sagt sie. "Alles von Steuergeldern. Und eine Persönlichkeit wie Hildegard Knef lebte so bescheiden."

Das erstaunt auch Werner Bajorat, der mit seinem Dackel Moritz entlang des einstigen Grenzstreifens spaziert. "Wenn man früher die Bilder von ihr aus Los Angeles gesehen hat und sich jetzt anschaut, in was für Verhältnissen sie hier gelebt hat - das ist schon komisch. Vielleicht ging es ihr in letzter Zeit auch finanziell nicht mehr so gut. Die Wohnung hat wohl nur drei Zimmer." Er ist selbst kein ganz besonderer Fan der Knef. Aber es ist ja auch etwas anderes, ob man einen Star nur aus Kino oder Fernsehen kennt, oder ob man weiß, dass er gleich um die Ecke wohnt.

Am Nachmittag öffnet Paul von Schell die Jalousien vor den Terrassenfenstern. Die Sonne scheint ins Zimmer. Von Schell bringt den Müll zur Tonne und schaut kurz zum Gartentor. Es hat noch keine roten Rosen geregnet. Nicht eine einzige.

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