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Auch in Kreuzberg wird für die Aktion geworben, bei der Privatleute Flüchtlinge nach Deutschland bringen sollen.

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Hilfe für Flüchtlinge: "Ich konnte nicht anders, ich musste sie mitnehmen"

Das Berliner „Peng!“-Kollektiv zeichnet Menschen aus, die Flüchtlingen illegal helfen. Wir sprachen mit einem Preisträger – anonym.

Aus Protest gegen die deutsche Asylpolitik will das Berliner „Peng!“-Kollektiv am Freitag Helfer auszeichnen, die Flüchtlingen die illegale Einreise ermöglicht haben. Die Politikaktivisten, die zuletzt mit Protesten gegen Shell und Vattenfall aufgefallen waren und jetzt zur Fluchthilfe aufrufen, vergeben ein „europäisches Verdienstkreuz“. Wir sprachen mit einem der Empfänger, einem 26-jährigen Studenten aus Berlin. Voriges Jahr brachte er zwei junge Männer aus Eritrea, die er zufällig auf der Heimfahrt aus dem Urlaub getroffen hatte, von Italien nach Deutschland.

Hatten Sie keine Bedenken? Sie haben gegen das Gesetz verstoßen. Im Paragraf 96 des Aufenthaltsgesetzes steht, dass das Einschleusen von Ausländern strafbar ist.
Ich habe gar nicht groß nachgedacht. Ich konnte nicht anders, ich musste sie mitnehmen. Natürlich waren wir ganz schön aufgeregt, als wir über den Brenner gefahren sind. Ich fürchtete vor allem, dass die Polizei die Eritreer entdeckt und aufhält. Wir waren mit zwei Autos unterwegs, eines ist vorausgefahren und hat Polizeikontrollen gesucht. Das zweite, in dem die Eritreer saßen, fuhr hinterher.

Wieso sind die Männer nicht alleine über den Brenner?
Sie waren zunächst von Sizilien, wo sie zuerst angekommen waren, im Zug nach Mailand gefahren. Der Bahnhof dort ist so was wie der Verkehrsknotenpunkt der innereuropäischen Flüchtlingsrouten. Die beiden hatten viel Geld bezahlt, damit jemand sie nach Deutschland bringt. Dieser Jemand hatte sie dann aber in der Nähe von Bozen, mitten in der Nacht, aus dem Auto geworfen.

Zuerst dachten sie, sie seien tatsächlich in Deutschland. Als sie merkten, dass man sie betrogen hatte, waren sie ziemlich verloren. Sie hatten kein Geld mehr, und sie hatten Angst, mit dem Zug über den Brenner zu fahren. Sie hatten gehört, dass die österreichische und bayerische Polizei sehr intensiv kontrollieren.

Wie geht es den beiden jetzt?
Sie haben in Deutschland Asyl beantragt und leben bis heute in einem Flüchtlingsheim. Sie werden wohl bald einen Aufenthaltstitel bekommen, dann können sie ausziehen. Wir waren sie auch mal besuchen. Vielleicht ziehen die beiden sogar nach Berlin in die Wohngemeinschaft von ein paar Freunden.

Sie möchten ihren Namen nicht nennen, den Preis nimmt ein Stellvertreter entgegen.
Was ich getan habe, verstößt leider gegen das Gesetz. Wir hatten damals Glück, niemand hat uns festgenommen. Würde ich jetzt mit meinem vollen Namen darüber sprechen, könnte ich belangt werden.

Sie würden so eine Aktion wiederholen?
Wieso sollten Menschen auf der Flucht kein Recht haben, dorthin zu gehen, wo sie wollen? Die Dublin-Abkommen, die bestimmen, dass Flüchtlinge in dem europäischen Land Asyl beantragen müssen, das sie als erstes betreten, müssen abgeschafft werden. Auch eine Quotenregel, wie sie diskutiert wurde, halte ich für keine echte Lösung.

Fast alle Asylbewerber haben in irgendeinem Land Freunde oder Familie, in deren Nähe sie sein wollen. Zurzeit können nur ganz wenige Flüchtlinge frei wählen, wo sie Asyl beantragen: Minderjährige, die zu ihren Eltern wollen, Eltern, die zu ihren minderjährigen Kindern wollen, und Ehepartner.

Es gibt übrigens leider auch in Deutschland eine Regel, die die Bewegungsfreiheit von Asylbewerbern extrem einschränkt: der Königsteiner Schlüssel. Der bestimmt, wie die Flüchtlinge auf die Bundesländer aufgeteilt werden. Dass Asylbewerber in einer deutschen Stadt Familie oder Freunde haben, ist egal.

Wieso haben Sie sich bei „Peng!“ gemeldet?
Ich fand die Idee sofort gut, Menschen zur Fluchthilfe aufzurufen. Als ich von der Kampagne las, musste ich an die beiden Jungs aus Eritrea denken, die wir einfach mitgenommen haben. Seitdem weiß ich: Menschen ohne Papiere sind auf andere angewiesen. Auf Schlepper, also auf Menschen, denen sie Geld zahlen, damit sie ihnen helfen, eine Grenze zu überqueren. Oder auf Menschen, die kein Problem damit haben, gegen Gesetze zu verstoßen – wenn diese falsch sind.

Was macht Sie da so sicher?
Schon seit Jahren habe ich mit Migranten zu tun, seit zwei Jahren unterrichte ich Flüchtlingen in Deutsch. Ich weiß, dass diese Menschen, die ihr Zuhause – aus welchen Gründen auch immer – hinter sich lassen, extrem verletzlich sind. Und dass sie von Gesetzen leider oft auch nicht geschützt werden.

Ich habe viele Freunde, die nach Italien oder Spanien abgeschoben werden sollen, weil man dort ihre Fingerabdrücke bei der Einreise genommen hat. Ein paar haben versucht, sich deshalb umzubringen. Sie haben sich in Berlin ein bisschen Normalität aufgebaut, ein soziales Umfeld. Die Vorstellung, das wieder aufgeben zu müssen, macht diese Menschen, die ja oft von der Flucht oder Kriegserlebnissen traumatisiert sind, große Angst.

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