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Berlin: Hinter der OP-Maske ein vertrautes Gesicht

Behandlung aus einer Hand, Geld aus zwei verschiedenen Töpfen: Bei der Gesundheitsreform geht es auch um die Zukunft der Beleg-Kliniken

Geld und Gesundheitswesen, das Thema birgt ausreichend politischen Sprengstoff. Gerade bastelt die große Koalition an einer Fortsetzung der Gesundheitsreform. Unter anderem geht es dabei auch um die Zukunft von Belegkrankenhäusern. Deren Finanzierung, das hat sich gezeigt, funktioniert nicht wie sie sollte. Das System ist kompliziert, es soll geändert werden. Ganz abgesehen davon, zu welchem Ergebnis die Koalitionspartner kommen – in einigen Berliner Belegkrankenhäusern sieht man schwere Zeiten auf sich zukommen. Und nicht nur dort.

Um das zu verstehen, ist es wichtig zu wissen, wie diese Kliniken funktionieren. Sie unterscheiden sich in Struktur und Finanzierung deutlich von Akutkrankenhäusern. Eine Belegklinik ist ein Unternehmen, in dem keine festangestellten Ärzte arbeiten. Es gibt einen Investor, dem das Klinikgebäude gehört oder der es gepachtet hat. Die Klinik schließt Verträge mit niedergelassenen Fachärzten: etwa mit Orthopäden, Geburtshilfemedizinern oder mit Gynäkologen. Diese Ärzte haben in ihrer Praxis nicht die notwendige Ausstattung, um ihre Patienten zu operieren, falls das nötig wird. Diese Ausstattung finden sie im Belegkrankenhaus vor: Operationssaal, Operationsschwester steriles Arbeitsgerät und so weiter. Gut eine Handvoll der über 60 Berliner Krankenhäuser sind reine Beleg-Kliniken.

Dieses System hat einen Vorteil, der selbst dessen Kritiker überzeugt: Die Behandlung eines Menschen erfolgt durch einen einzigen Arzt. Denn der Operateur ist zugleich derjenige, der den Patienten vor und nach der Operation ohnehin in seiner Praxis betreut. Also kennt er den Patienten und dessen Krankengeschichte. Und Missverständnisse, wie es sie zwischen Hausarzt und Klinikärzten geben könnte, sind so ausgeschlossen.

Unumstritten ist das Modell deswegen aber nicht. Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei/PDS) hat vor Jahren den Kurs eingeschlagen, reine Belegkliniken aus dem Krankenhausplan des Landes herauszunehmen. „Wir sehen Belegkliniken grundsätzlich sehr positiv. Sie schließen eine Lücke zwischen ambulanter und stationärer Versorgung“, sagt Ingeborg Cordes von der Gesundheitsverwaltung des Senats. „Allerdings glauben wir, dass eine Selektion nötig ist.“ So seien manche Belegkliniken nicht geeignet, schwere Fälle aufzunehmen, etwa mit Vorerkrankungen. Der Grund: Sie haben oft keine Intensivstation. Die aber sollte, so will es die Verwaltung, in der Woche und am Wochenende 24 Stunden besetzt sein. Deren Ziel ist deshalb, vermehrt Klinikbetten in vollstationären Einrichtungen zu fördern. Nicht gerade eine Freudenbotschaft für reine Belegkliniken. Zumal es aus der Senatsverwaltung auch heißt: „Wenn es darum ginge, dass wir in Berlin zu viele Kliniken hätten, dann wären reine Belegkrankenhäuser nicht unbedingt diejenigen, die Priorität genießen.“

Die Kliniken kontern. Sie lassen besonders den Vorwurf, ihre guten Behandlungsstatistiken seien vor allem darauf zurückzuführen, dass sie keine Risikopatienten behandelten, nicht gerne auf sich sitzen. „Diese Diskussion haben wir seit zwanzig Jahren, und aus meiner Sicht ist sie nicht gerechtfertigt“, sagt Volker Hartmann, der Qualitätsbeauftragte der Havelklinik in Berlin-Spandau. Und Chef der Klinik Hygiea, Alexander Berger, sagt: „Zunächst einmal stimmt es, dass ein Belegkrankenhaus insgesamt leichtere Fälle aufnimmt als ein Universitätsklinikum.“ Aber zur Wahrheit gehöre auch, dass die Kliniken, die Risikopatienten mit schweren Vorerkrankungen behandelten, „dementsprechend auch besser bezahlt werden“.

Gestaffelt nach der Schwere der Erkrankung oder Verletzung, die behandelt wird, erhalten die Krankenhäuser verschiedene Pauschalen.

Die Finanzierung der Krankenhäuser ist der zweite Streitpunkt in der momentanen Diskussion. Derzeit wird die Behandlung eines Patienten in einem Belegkrankenhaus aus zwei Töpfen bezahlt: Die Klinik rechnet nach der Behandlung mit der Krankenversicherung ab – und der Belegarzt, der dort operiert hat, mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Das ist umständlich. Und scheint auch nicht zu funktionieren. Belegärzte jedenfalls klagen, dass sie das Geld für eine Behandlung oft erst Monate später sehen. Alexander Berger, Geschäftsführer der Belegklinik Hygiea in Berlin-Schöneberg, sagt: „Der Arzt weiß de facto nicht, was er für seine Leistung bekommt.“ Offenbar ist die Kritik an höherer Stelle zumindest gehört worden. SPD und CDU haben in ihren Koalitionsvertrag geschrieben, über diesen Punkt im Rahmen der Gesundheitsreform zu sprechen. Was dabei herauskommen wird, ist noch offen. Aus dem Bundesgesundheitsministerium heißt es knapp: „Es wird nicht so weiterlaufen wie bisher.“ Sondern wie? „Keine Auskunft.“

Unter der Hand aber heißt es, es sei durchaus denkbar, dass das Modell der KV-Finanzierung abgeschafft wird.

Marc Neller

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