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Berlin: Historisches Treffen: Ein Toast auf den Frieden

8. Mai 1945, gegen Mitternacht.

8. Mai 1945, gegen Mitternacht. Stumme Schwarz-Weiß-Bilder: Generalfeldmarschall Keitel grüßt kurz mit dem Marschallstab, setzt sich an den Tisch, prüft Papiere und besiegelt mit einem Federstrich das Ende eines Terror-Krieges, dem 50 Millionen Menschen zum Opfer fielen. Zehn Minuten dauert die Kapitulationszeremonie im ehemaligen Casino der Festungspionierschule der Wehrmacht, eigentlich war es nur die Ratifizierung der am 7. Mai schon in Reims vollzogenen Kapitulation. Keitel hält seinen Kopf streng aufrecht, blickt lauernd in die Reihen der Gegner, doch die befürchtete Demütigung bleibt aus. Nach Aushändigung der Urkunden werden die Deutschen in ihre Quartiere geschickt, damit die Siegesfeier beginnen kann. Jeder Offizier erhält eine Flasche Krim-Sekt, eine Flasche armenischen Kognac und eine Flasche russischen Wodka. Immer wieder wird ein Toast ausgebracht. Nur wenige hätten in der Nacht ihre Schlafstatt erreicht, heißt es später aus der britischen Delegation.

56 Jahre haben sich an gleicher Stelle die Militärattachés der Siegermächte Russland, USA, Großbritannien und Frankreich mit einem Vertreter der Bundeswehr eingefunden. Sie stehen nebeneinander, ohne protokollarische Rangordnung, und stoßen auf den Frieden an, zusammen mit den Besuchern des Hauses. Mit Rotkäppchen-Sekt, weil das "Deutsch-Russische Museum" für Edleres kein Geld hat. Zum ersten Mal findet dieser nicht-offizielle symbolische Akt statt, um genau 23 Uhr - zu diesem Zeitpunkt trat die Kapitulation in Kraft. "Heute und hier schieben sich die alten und die neuen Bilder ineinander", sagt Museumsleiter Peter Jahn. Der Nationalsozialismus sei jetzt Geschichte und der deutsche Vertreter nehme "mit Selbstverständlichkeit" seinen Platz als ein alliierter Partner ein.

In den vergangenen Jahren hatte Jahn Kriegsveteranen zum 8. Mai eingeladen. Weil jetzt die Botschaften in Berlin angekommen sind, entstand die Idee, Vertreter der beteiligten Mächte in den Kapitulationssaal zu bitten. Also ein historisches Ereignis, wenn auch ohne politische oder militärische Prominenz. Völlig problemlos war es wohl nicht, einen deutschen Vertreter zu finden, deutet Jahn vorsichtig an. Die Debatte um Niederlage oder Befreiung wird im Schatten öffentlicher Statements immer noch kontrovers geführt. Auch die ausländischen Offiziere, für die das Haus in Karlshorst ein ferner Ort in der Vergangenheit ist, sind leicht verunsichert. Einen Toast ausbringen? Da sei man aber nicht vorbereitet, beraten sich die Herren und lehnen freundlich ab. Der deutsche Vertreter, Oberst Hans-Joachim Harder, Vizechef des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes in Potsdam, hängt die Angelegenheit sehr tief. Dem Museum habe er einfach helfen wollen. Es sei schließlich nicht so einfach, Besucher nach Karlshorst herauszulocken.

Internationale Treffen gebe es in der Nato ständig - die Vergangenheit spiele im Alltag des Bündnisses keine Rolle mehr. Deshalb schauspielere er hier auch nicht den Part der Wehrmachtsgeneräle. Überhaupt müsse man aufpassen, dass historische Treffen nicht in feucht-fröhliche Kameraderie ausarteten, wie es bei den D-Day-Veranstaltungen in der Normandie den Anschein habe. In Karlshorst besteht diesbezüglich keine Gefahr. Der Rotkäppchen-Vorrat ist gegen Mitternacht leergezecht.

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