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Berlin: Höher, schneller, breiter

In Dubai und China entstehen spektakuläre Bauten – die Entwürfe stammen von Berliner Architekten

Wie kümmerlich der Funkturm mit seinen 150 Metern doch wirkt. 509 Meter soll der „Sightseeing Tower Guangzhou“ hoch sein, mit seiner spitzen Antenne wären es sogar 664 Meter. Der Turm wäre nicht nur das höchste Gebäude im Süden Chinas, sondern auf der ganzen Welt.

Oder schauen wir nach Dubai. Dort wird mitten im Wüstensand die „Dubai Sports City“ gebaut, ein gigantischer Komplex, in dessen Mittelpunkt vier aneinander gereihte Stadien entstehen. Baukosten: 620 Millionen Euro. In zwei Jahren sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.

Zwei Projekte, eine Heimat, und längst nicht alles, was in Berlin entworfen wird. „Architektur aus Deutschland hat Chancen, sich zum Exportschlager zu entwickeln“, sagt Gabriele Schindler, die Chefin des Netzwerks Architekturexport (Nax) der Bundesarchitektenkammer. Der Großteil der von Nax betreuten Auslandsaufträge, nämlich 90 von 420, werden in Berlin bearbeitet. Aus Hamburg, sonst Deutschlands wichtigster Architekturstandort, kommen dagegen nur 20 Auslandsprojekte. Berlin ist das Bundesland mit der höchsten Architektendichte, auf 505 Einwohner kommt ein Architekt. „Der Export nach Osten ist die Hoffnung für die Zukunft“, sagt Schindler. In einer Woche bringt das Netzwerk deshalb erstmals den „Exportratgeber für Architekten und Ingenieure“ auf den Markt.

Die Aussichten in Deutschland sind nach Angaben der Bundesarchitektenkammer bescheiden: „Stagnierend“ die Umsatzentwicklung, „angespannt“ die Ertragsprognose. Grund dafür seien die Wirtschaftslage und der geringe Mut in städtebaulichen Fragen, sagen Experten. In einem Volksbegehren sprachen sich die Münchner am Sonntag gegen den Bau von mehr als 99 Meter hohen Gebäuden in der bayerischen Landeshauptstadt aus.

In Asien und den arabischen Staaten wollen die Länder dagegen „einfach alles nachholen“, sagt der Architekt Siegfried Wernik. Dessen Büro Léon, Wohlhage, Wernik hatte im Herbst den ersten Preis für den Entwurf des höchsten Gebäudes der Welt erhalten – dem L-förmigen Turm in China (Computerbild links). Bei 200 Millionen Euro sollen die Kosten liegen, das Areal in Guangzhou ist bereits planiert. Zwar sollen die Arbeiter eigentlich in wenigen Tagen anfangen, um rechtzeitig zu den Olympischen Spielen 2008 in China fertig zu sein, „doch ob unser Entwurf auch wirklich umgesetzt wird, wissen wir bislang noch nicht“, sagt Wernik. Er nimmt’s gelassen, die Pläne stehen, dafür würden deutsche Architekten in Asien schließlich geschätzt: Sie seien schnell, pünktlich und präzise.

„Und sie haben eine gewisse Verbissenheit“, ergänzt Hubert Nienhoff. Der Architekt hat für von Gerkan, Marg und Partner (gmp) die Verträge für die „Sports City“ in Dubai unterzeichnet (Bild oben). Sein Büro hat in der Branche einen großen Namen. Den Berliner Flughafen Tegel, das Tempodrom, den Hauptbahnhof am Regierungsviertel, auch die WM-Fußballstadien in Köln, Frankfurt und Berlin hat gmp entworfen. Die Zentrale sitzt in Hamburg, das Asiengeschäft wird in einem Kreuzberger Altbau am Landwehrkanal gesteuert.

Die Zahl der Architekten in Deutschland stagniert, Experten bemängeln das schwache Marketing der Büros. Deutsche Architekten haben nicht so bekannte Namen wie die Kollegen aus Frankreich, Holland oder den USA. Aber die Auslandsaufträge werden bedeutender – und ihre Zahl steigt. Fünf Prozent der Architektenbüros kümmern sich um Projekte im Ausland. Und was die großen Projekte für das Ansehen der Büros weltweit bedeuten, „darf sich jeder denken“, sagt Architekt Wernik.

Auch gmp-Architekt Stephan Schütz ist vor einer Woche von Berlin nach Peking gereist und hat dort den Vertrag für den Neubau des Nationalmuseums unterzeichnet. 280 Millionen Euro kostet der, das Gebäude steht am Platz des Himmlischen Friedens. Schütz wird in China auch Bundeskanzler Gerhard Schröder treffen. Eine deutsche Schule hat gmp in China auch gebaut, „nach preußischem Stil“, sagt Schütz. Mit hohen Fenstern, einem ruhigen Fassadenbild, ohne Schnörkel. Das klingt ein wenig nach dem alten Kreuzberg.

André Görke

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