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Berlin: Hoffnungsschimmer für die Eltern

Von Christoph Villinger Kreuzberg. Über hundert Mütter, Väter und ihre Kinder waren am Dienstagabend zur Sitzung des Jugendhilfeausschusses ins Kreuzberger Rathaus gekommen, um gegen die beabsichtigte Schließung von zehn der 30 so genannten Tagesgroßpflegestellen zu protestieren.

Von Christoph Villinger

Kreuzberg. Über hundert Mütter, Väter und ihre Kinder waren am Dienstagabend zur Sitzung des Jugendhilfeausschusses ins Kreuzberger Rathaus gekommen, um gegen die beabsichtigte Schließung von zehn der 30 so genannten Tagesgroßpflegestellen zu protestieren. Eine Entscheidung fiel nicht, sie wurde auf den 20. August vertagt.

Seit 17 Jahren betreibt die 52-jährige frühere Kita-Leiterin Irene Hoffmann eine Großpflegestelle. In einer gemieteten Wohnung in der Kreuzberger Hornstraße betreut sie zusammen mit einem Kollegen von 7 bis 16 Uhr acht Kinder im Alter bis zu sechs Jahren. Zu zweit decken sie alle Tätigkeiten von Organisation, Kochen, Putzen, Planen und Erziehen ab. „So macht mir die Arbeit als Erzieherin Spaß und ich kann auf die Kinder individuell eingehen." Die Miete wird vom Senat bezahlt, die Eltern schließen einen Pflegevertrag mit dem Bezirksamt. „Praktisch sind wir wie Tagesmütter“, sagt Irene Hoffmann, „und die Eltern bezahlen genauso viel wie in einer bezirklichen Kita".

Für Nathalie Saab, Mutter dreier Kinder, ist es völlig unverständlich, warum die Pflegestellen geschlossen werden. Sie ist davon überzeugt, dass diese Einrichtungen „im Vergleich zu den staatlichen Kitas viel billiger sind". Nach Angaben des Leiters des Fachbereichs Kindertagesbetreuung im Bezirksamt, Harald Straub, kostet ein Kind den Bezirk pro Monat in einer Pflegestelle 619 Euro und in einer bezirklichen Kita inklusive sämtlicher Umlagen 695 Euro. Ein Platz in einem Kinderladen kostet den Bezirk 519 Euro.

Der Bezirk zahle allerdings die Pflegestellen aus einem anderen Haushaltstopf als die Kitas, sagt Jugendstadträtin Sigrid Klebba. „Und dort haben wir ein großes Defizit zu erwarten." Deshalb müssten 80 Plätze eingespart werden. Ihrer Meinung nach ist die Großpflege eher für Kleinkinder bis zu drei Jahren gedacht, deshalb wolle sie das Angebot zumindest auf Kinder bis fünf Jahre begrenzen: „auf jeden Fall nicht mehr für Vorschulkinder". Trotzdem kann sie „sehr gut aus der Lebenswelt der Eltern verstehen, dass sie dagegen Sturm laufen".

Für viele Eltern, wie für Nathalie Saab, ist die „individuelle, familiäre Betreuung optimal". Das Bezirksamt spare blind und „die Folge wird sein, dass die sozial starken Familien aus Kreuzberg wegziehen". Sie will ihren fünfjährigen Sohn nicht in die Kita-Vorschule schicken. Auch Uwe Klose aus dem Vorstand des Vereins der Großpflegestellen in Berlin, will sein Kind nicht in eine Kita stecken. Doch Barbara Seid von der PDS in Friedrichshain-Kreuzberg sieht auch ein anderes Problem: Es sei nur der Kreuzberger Mittelstand, der seine Kinder in die Großpflegestellen schickt. Und diese Kinder fehlten dann in den Kitas. Auch Jugendstadträtin Klebba betont, dass sie „an einer guten sozialen Mischung in den Kitas interessiert ist". In den Großpflegestellen „sind von 240 Kindern nur 17 nicht-deutscher Herkunft".

Für die Erzieherinnen in den von der Schließung bedrohten TGPs gibt es ein weiteres Problem. Da sie als Selbstständige gelten, würden sie im Falle der Arbeitslosigkeit kein Arbeitslosengeld, sondern nur Sozialhilfe bekommen. Und die zahlt auch der Bezirk.

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