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Berlin: Hoflieferanten und Szenelabels

Heute beginnen die Messen Bread & Butter und Premium – Berlin gilt wieder als Stadt der Mode. Doch schon 1837 wurde hier gezeigt, was en vogue ist

Von Susanna Nieder

„Die Berliner Saison hat den Teufel im Leib, sie ist überhaupt keine Saison, sie ist eine Dauerwelle!“ So kommentierte die „Vogue“ 1928 die Modetees und Modebälle, Moderennen und Modenschauen, mit denen man sich in der Berliner Branche damals gegenseitig übertrumpfte. Kein Wunder, dass die Modemesse Bread & Butter mit ihrem Motto „Berlin Gold“ an die Zwanzigerjahre erinnern will. Zwischen den Weltkriegen erlebte die Berliner Mode einen ihrer Höhepunkte.

Seit im Januar 2003 die beiden Modemessen Bread & Butter und Premium zum ersten Mal in Berlin veranstaltet wurden, ist greifbar, was viele in der hiesigen Modeszene schon lange geahnt hatten: Die Stadt ist reif, an ihre Modetradition anzuknüpfen. An diesem Wochenende ziehen die beiden großen (und einige kleinere) Messen zum vierten Mal bekannte Namen – zum Beispiel Hugo Boss, Strenesse und Rena Lange – und wachsende Besucherzahlen in die Stadt. Allein die Bread & Butter erwartet um die 30 000 Fachbesucher, mindestens die Hälfte davon aus dem Ausland.

Dabei sah es in den siebziger und achtziger Jahren so aus, als gehöre die lange Berliner Modegeschichte der Vergangenheit an. Ihr Beginn wird auf 1837 datiert, als Gründer gelten die Textilhändler David Leib Levin, Gebrüder Manheimer und Herman Gerson, die am Hausvogteiplatz begannen, Konfektion in größerem Stil zu betreiben. Gerson wurde Hoflieferant und Inbegriff des textilen Luxus, die Branche weitete sich schnell aus. 1860 gab es 20 Konfektionsfirmen, zehn Jahre später waren es schon doppelt so viele, 60 Engrosgeschäfte beschäftigten 600 so genannte Zwischenmeister und 6000 Arbeiterinnen.

Konfektion war von Anfang an das Zauberwort an der Spree: Man übernahm die neuesten Trends aus Paris, glich sie dem Geschmack der Berlinerin an und fertigte selbst. Durch den technischen Fortschritt begannen die Moden bald schneller zu wechseln, und auch weniger Betuchte konnten sich öfter neue Kleider leisten. In Verarbeitung, Qualität und preisgünstiger Serienfertigung erlangte der „Berliner Chic“ bald Weltruf.

Unweigerlich stieg auch der Glamourfaktor der Mode. Die Berliner Modeateliers stellten Bühnen- und später Filmstars teure Garderoben zur Verfügung – mit überwältigendem Werbeeffekt. Eine der bekanntesten Werbeträgerinnen war die Soubrette Fritzi Massary. Es wurden sogar eigens „Konfektionspossen“ geschrieben wie „Gerson von Pinne und Hulda von Hausvogtei“, mit der 1911 der Admiralspalast eröffnet wurde.

Der große Bruch kam in den dreißiger Jahren, als die Nazis die jüdischen, also rund die Hälfte aller Berliner Ateliers „arisierten“. Die Betriebe übernahmen oft nichtjüdische Mitarbeiter; Gerson zum Beispiel wurde zu Horn, der erst 2003 sein Geschäft am Ku´damm schloss. Am Hausvogteiplatz erinnert heute ein Mahnmal an die 4000 ermordeten Juden der Berliner Modebranche.

In den Jahren nach dem Krieg machten Modeschöpfer wie Heinz Oestergaard West-Berlin noch ein Mal zur Modestadt. Als er 1967 die Stadt verließ, um Modeberater bei Quelle zu werden, waren viele Berliner tief enttäuscht. Doch mit dem Mauerbau waren die Produktionsstrukturen endgültig zerstört worden. Als einer der letzten Modeschöpfer der Nachkriegszeit schloss Uli Richter 1982 sein Atelier. In der DDR hatten die Kreativen keine Chance, ihre Entwürfe umzusetzen, und so schien das Schicksal der Mode in Berlin besiegelt. Doch seit dem Mauerfall hat sich viel entwickelt, um 300 kleine Modeateliers gibt es derzeit hier. Mit den Modemessen ist jetzt ein ganz neues Kapitel der Berliner Modegeschichte aufgeschlagen worden, doch der kreative Nährboden hat sich über Jahre entwickelt.

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