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Hohenschönhausen: Missbrauch in Heilig Kreuz: Glaube, Unglaube, Zorn

Die Kirchengemeinde Heilig Kreuz wurde im Sonntagsgottesdienst über einen Missbrauchsfall informiert. Der Gemeinderatsvorsitzende sieht nun das Erzbistum in der Pflicht.

Eingangslied, Gebet, Lesungen, Lied, Abendmahl und dazwischen eine Predigt über Glaube, Liebe, Hoffnung, die gedanklich an den letzten Sonntag anknüpft, wie Vakanzpfarrer Peter Kaschubowski sagt. Letzten Sonntag? Der ist, seit sich die katholische Kirchengemeinde Heilig Kreuz in Hohenschönhausen mit sexuellen Missbrauchsvorwürfen gegen ihren ehemaligen Pfarrer W. konfrontiert sieht, diesmal besonders lange her. Rund 200 Leute sitzen auf den Holzbänken im lichten Kirchbau, bauen auf die rituelle Unbeirrbarkeit oder beruhigende Kraft der Liturgie und wirken trotzdem angespannt. Eine knappe Stunde lang. Dann übergibt Pfarrer Kaschubowski dem zu Beginn des Gottesdienst erklärungslos begrüßten Domprobst Stefan Dybowski das Wort mit den Worten: „Wegen der durch Rundfunk und Fernsehen angeregten Dinge haben Sie möglicherweise Informationsbedarf, wie es mit unserem Pfarrer W. steht.“

Domprobst Dybowski, der Beauftragte des Erzbistums für sexuelle Missbrauchsfälle, beginnt seine Erklärung mit einer Entschuldigung. Dafür, dass die Gemeinde von dem seit Juli 2009 untersuchten Missbrauchsvorwurf erst am Freitag aus den Medien erfuhr. Kinder, Eltern und Alte hören ruhig zu, als Dybowski den Vorwurf, ohne Einzelheiten zu nennen, schildert, die kircheninternen Reaktionen aufzählt und das lange Schweigen der Gemeinde gegenüber mit Sorgfalt und Diskretion begründet. Erst habe Pfarrer W. gestanden, dann widerrufen, und solange nichts erwiesen sei, gelte für die Untersuchungskommission weiter die Unschuldsvermutung. Dann lädt der Domprobst zu einem Gesprächsabend: Mittwoch in einer Woche, am 10. Februar. „Danke schön“, ruft ein Mann, schwacher Applaus vertröpfelt schnell wieder.

Am Ausgang steht der Gemeinderatsvorsitzende Matthias Kramer und verteilt Einladungszettel, auf denen auch die Telefonnummern von Ansprechpartnern für mögliche weitere Opfer stehen. „Wir sind zufrieden, dass das Gespräch endlich eröffnet ist“, sagt er. Nun sei das Erzbistum in der Pflicht. Der dazutretende Domprobst nickt und rechnet mit weiteren Betroffenen. Ob sich der bisher bekannte Jugendliche doch noch zu einer Anzeige bei der Polizei entschließt, ist offen, sagt er.

Vor der Kirche stehen die Leute grüppchenweise im Schnee. Viele sind ratlos und schweigen lieber. Sie habe bewusst den Gottesdienst mitgefeiert und gebetet, sagt eine Frau, die mit zwei Töchtern da ist. Andere reden von Verleumdung oder haltlosem Verdacht. Bestimmt ist das ein Einzelfall, sagt ein Mann, „dass er sich mal vergriffen hat“. Zornig über die schleppende Informationspolitik des Erzbistums sind auch ein paar. Unglaublich, was sich die Amtskirche leiste, empört sich eine Mutter. „Ich fühle mich hier nicht mehr zu Hause“, sagt sie, womöglich seien die Kinder nicht sicher. „Von einem Tag auf den anderen ist die Sommerfreizeit mit Pfarrer W. letztes Jahr abgesagt worden“, erzählt ihr großer Sohn. Daraufhin riefen sie besorgt um den vermeintlich kranken Pfarrer beim Erzbistum an. „Und sind nur blöd abgewimmelt worden.“

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