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An Silvester haben Unbekannte an das Holocaustmahnmal in Berlin uriniert.

© dpa

Holocaust-Mahnmal: In der Silvesternacht wurde das Stelenfeld zum Urinal

Das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin ist geschändet worden. Das zeigt ein Amateurvideo. Die Frage, wie und durch wen so etwas verhindert werden kann, ist nur schwer zu beantworten.

Männer springen zwischen Betonquadern hin und her. Böller flackern in Betongassen. Stelen werden zu Abschschussrampen. Ein Mann mit offener Hose erleichtert sich. Einer liegt da wie bewusstlos. Flaschen stehen rum im Denkmalsland südlich des Brandenburger Tores. Ein Paar küsst sich. Am Bildrand blitzt das Hauptstadtsilvester, die Akteure erscheinen als Schemen. Der düstere Film, vier Minuten, 19 Sekunden, steht in Israel auf der Homepage eines Radiosenders und in der Online-Ausgabe der Zeitung „Haaretz“. Sein Titel gibt dem Clip vom deutschen Jahreswechsel einen politischen Unterton: „German Hooligans desecrate Berlin Holocaust Memorial“. Die englische Vokabel lässt sich mit „schänden“ übersetzen, mit „entweihen“ oder „entheiligen“.

Skandal oder Kollateralschaden? Bei Berliner Diplomaten des Staates Israel scheint der Sachverhalt auf Nachfrage noch unbekannt, dann gibt die Pressestelle ein Statement ab: „Wir sind über dieses schreckliche Verhalten an einem so wichtigen Ort des Gedenkens entsetzt. Nichtsdestotrotz vertrauen wir darauf, dass die deutschen Behörden alles dafür tun werden, um ähnliche Aktionen in der Zukunft zu vermeiden.“ Bei den Veranstaltern der Megaparty, K.I.T., reagiert man überrascht („Autsch!“) und bedauernd auf den Bericht vom Urinieren im Denkmalsbereich, betont aber, das Veranstaltungsgelände und die eigene Zuständigkeit habe an der Behrenstrasse geendet. 400 Security-Leute seien im Einsatz gewesen, sagt Pressesprecherin Doreen Kinzel, doch „dort hätten die gar nicht eingreifen dürfen“. Jedenfalls sei am Sowjetischen Ehrenmal, das aufgrund der davor aufgebauten Catering-Logistik abgeschirmt war, so etwas nicht vorgefallen.

Auch als Toilette wurde das Holocaust-Mahnmal benutzt.
Auch als Toilette wurde das Holocaust-Mahnmal benutzt.

© aus dem Video

Der Bezirk weist die Zuständigkeit zurück

Im Bezirk Mitte weist man jede Zuständigkeit für das, was am Stelenfeld passierte, von sich. Aus dem Büro des Stadtrats für Ordnung, Carsten Spallek (CDU), verlautet, um Sicherheit kümmere sich an diesem Ort die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Als Erlaubnisinstanz für die Riesenfete mag der Bezirk sich den schwarzen Peter ebenfalls ungern zuschieben lassen. Die „Hauptgenehmigung“ werde von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erteilt. Dort heißt es: Stimmt – nur komme das Sicherheitskonzept vom Bezirk. Man könne bei solchen Massen nicht den Zustrom/ Abstrom durch Auflagen an den Veranstalter steuern, sagt Sprecherin Daniela Augenstein. Letztlich müssten die Wachleute Polizei anfordern. Die Beteiligung vieler Stellen mache das Ganze kompliziert, gewiss würden sich bald alle an einen Tisch setzen.

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Eine Schweinerei, aber keine Straftat

Im Polizeipräsidium ist die Aufgabe akzeptiert worden, nur verweist Sprecher Thomas Neuendorf auf das Problem Verhältnismäßigkeit: „Es ist zwar eine Schweinerei, aber keine Straftat. Für illegales Pinkeln ist das Ordnungsamt zuständig.“ Wenn man das Gelände mit Polizisten absperre, widerspreche das der Party-Aura ebenso wie dem „offenen Charakter“ des Denkmals. Darum sei auch Umzäunung nicht das Patentrezept, doch laufe es auf eine technische Lösung hinaus; aber wer bezahle die? Demnächst werde die Stabsstelle 12 mit der Denkmal-Stiftung darüber sprechen.

Deren Sprecherin äußert sich empört über das Verhalten der Gefilmten – und etwas ratlos. „Ich werte die Aktionen nicht als politisch“, sagt Jenifer Stolz. Der Filmer habe ihr berichtet, zwischen 22 und 24 Uhr seien 50 Personen im Stelenfeld gewesen, einige gekleidet wie Rechtsradikale. Das könne sie aber nicht erkennen. Statt der üblichen zwei Wachleute seien sechs im Einsatz gewesen, vermutlich zu wenig. Sie schlage vor, an der Partymeile Dixie-Klos aufzustellen. „Wir haben nichts dagegen, wenn Leute sich küssen, wenn jemand was trinkt. Es kommt aufs Gesamtbild an. Und ein Betrunkener, der von der Stele fällt, kann sich böse wehtun. Was also wäre praktikabel? Was verhältnismäßig?“

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