zum Hauptinhalt

Berlin: Holocaust-Mahnmal: Wer verschwieg den Degussa-Auftrag? Leitung der Stiftung reagierte erst, als die Presse schon recherchierte

Die Geschäftsführung der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden hat offenbar schwere Fehler bei der Informationspolitik über eine Beteiligung der Degussa am Bau des Holocaust-Mahnmals gemacht. Obwohl Geschäftsführerin Sibylle Quack die historische Rolle der Degussa seit Anfang diesen Jahres bewusst gewesen war, hat das Kuratorium erst auf einer Sitzung am 23.

Die Geschäftsführung der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden hat offenbar schwere Fehler bei der Informationspolitik über eine Beteiligung der Degussa am Bau des Holocaust-Mahnmals gemacht. Obwohl Geschäftsführerin Sibylle Quack die historische Rolle der Degussa seit Anfang diesen Jahres bewusst gewesen war, hat das Kuratorium erst auf einer Sitzung am 23. Oktober erfahren, dass Degussa den Graffitischutz für die Mahnmal-Stelen liefert. Aber selbst auf der Einladung zur Sitzung wurde die Degussa-Beteiligung nicht erwähnt. „Das Thema Degussa stand nicht auf der Tagesordnung“, sagt Kuratoriumsmitglied Volker Beck (Grüne). Auch Bausenator Peter Strieder (SPD) wusste bis zur Sitzung nichts. Zwar war neben der Stiftungsgeschäftsführung auch der Bauverwaltung seit Jahresanfang das Degussa-Problem bekannt. „Aber nur als rein baufachliches Thema“, so Petra Reetz, Sprecherin der Bauverwaltung. Die politische Ebene sei von der zuständigen Sachbearbeiterin nicht informiert worden.

Geschäftsführerin Quack behauptete jetzt gegenüber dem Magazin „Der Spiegel“, sie habe die stellvertretende Kuratoriumsvorsitzende Lea Rosh bereits am 13. Oktober, zehn Tage vor der Kuratoriumssitzung, telefonisch informiert, dass die Vergangenheit von Degussa zum Thema werden könnte. Rosh bestreitet das. Man habe lediglich allgemein darüber gesprochen, wie mit „belasteten Firmen“ umzugehen sei, sagte sie.

Dass Quack ausgerechnet am 13. Oktober die NS-Vergangenheit deutscher Unternehmen zum Thema gemacht hat, ist wohl kein Zufall. An diesem Tag hat nämlich auch ein Mitarbeiter der schweizerischen Zeitung „Tages-Anzeiger“ bei Quack angerufen und ihr die Frage gestellt, ob es unter moralischen Gesichtspunkten richtig gewesen sei, Degussa den Auftrag zu geben. Die Degesch, eine Tochter der Degussa, hatte für die Nationalsozialisten das Nervengas Zyklon B produziert. Dass die Rolle der Degussa zu Meinungsverschiedenheiten führen könnte, war Quack offenbar bewusst. Einige werde die Beteiligung schmerzen, andere könnten den Beitrag als Versöhnungsgeste akzeptieren, sagte sie dem Journalisten. Aber der Wunsch der Degussa, das Denkmal zu unterstützen, könne nur positiv bewertet werden. Trotz dieser selbstbewussten Einschätzung hat Quack sich offenbar absichern wollen und die stellvertretende Kuratoriumsvorsitzende telefonisch benachrichtigt. Nur hat sie dabei laut Rosh das Wichtigste nicht erwähnt: den Zusammenhang zwischen Degussa und Degesch.

Dagmar Rosenfeld

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false