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Ich bin ein BERLINER (55): „Die Geister der Stadt“

Julian Henneberg, 31, hat Nordamerikastudien studiert. In unserer Serie "Ich bin ein Berliner" erklärt der Doktorand aus Schöneberg, was es mit der berühmten Kennedy-Rede auf sich hat - aber auch, wie er Berlin heute empfindet.

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Mit Kennedy und dem Satz ,Ich bin ein Berliner’ verbinde ich auch meine eigene Identität: Ich bin West-Berliner, geboren in Charlottenburg, die Geschichte Berlins ist auch ein bisschen meine Geschichte. Und ich habe mal direkt gegenüber dem Schöneberger Rathaus gewohnt, aber das ist schon eine Weile her.

Zurzeit schreibe ich an meiner Dissertation. Ich habe Nordamerikastudien studiert, da habe ich mich noch mal ganz bewusst mit der amerikanischen Geschichte auseinandergesetzt, mit den Hintergründen zum Kalten Krieg, Mauerbau und so. Kennedy wird ja oft als Äquivalent zum Römischen Reich gesehen. Dort hat man früher gesagt: ‚Ich bin ein römischer Bürger’ und damit war man Teil einer großen Gemeinschaft von freiheitlich gesinnten, loyal gesinnten Menschen. ‚Ich bin ein Berliner’ geht in diese Richtung.

Meine Eltern und ich lebten relativ nah am Mauerstreifen. Wenn wir meine Großeltern in Westdeutschland besuchen wollten, mussten wir durch den Osten, das weiß ich noch. Aus der Zeit sind viele Erinnerungen geblieben, die Checkpoints, zum Beispiel. Oder das Bild, wie man im Auto sitzt und durch den grauen, nach Braunkohle riechenden Osten gefahren ist, um woanders hinzukommen. Als die Mauer gefallen ist, saßen wir gerade im Auto, wir haben das im Radio gehört.

Dass die Stadt sich verändert hat, kann ich so gar nicht sagen – ich war zu klein, um sie zu erkunden, das kam ja erst später. Ich war dann viel im Osten unterwegs, der war ja viel spannender, die vielen leer stehenden Gebäude, die Kunstszene. Die Veränderung der Stadt ist für mich wie die Geister, die ich rief. Jahrelang haben sich viele beschwert, dass Berlin nicht hauptstädtisch genug sei, nicht kosmopolitisch genug. Jetzt findet das alles statt und die Leute merken jetzt auch, dass das negative Seiten hat: der ganze Easyjet-Tourismus, zum Beispiel. Das ist eine Doppelmoral, denn man kann nicht beides haben. Wenn man mehr wie andere europäische Großstädte wird, wird es kapitalistischer, touristischer. Das gehört dazu.

Julian Henneberg, 31, Doktorand aus Schöneberg

© Garcìa

Vor 50 Jahren - am 26. Juni 1963 - hielt John F. Kennedy seine berühmte Berliner Rede. Hier erzählen 100 Berliner, was ihnen diese Worte bedeuten - und wie sie die Stadt heute erleben. Siemens unterstützt das Tagesspiegel-Projekt. Alle bisher erschienen Videos zu der Serie "Ich bin ein Berliner" finden Sie unter:www.tagesspiegel.de/berliner

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