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Schön hier oben. Max Deibert, 20, schreibt gern aus der Vogelperspektive, vor allem für unseren Tagesspiegel-Jugendblog „Schreiberling“.

© Kai-Uwe Heinrich

Jugendblog Schreiberling: „Ich bin zu groß für die BVG“

Unser Autor ist 1,94 Meter groß und eckt überall an, besonders in der U-Bahn. Und seinem Sitzplatznachbarn im Bus muss er notgedrungen mit seinem Knie zu nahe kommen.

Die BVG hat vor einigen Wochen ihre neuen Bus-Modelle vorgestellt. Sie machen einen soliden Eindruck. Hergestellt werden sie in den Niederlanden von „Van der Leegte“ (VDL). Holländer sind groß gewachsen, genau wie ich. Ich kannte mal einen, der war zwei Meter groß und sagte immer „Schnikkers“ statt „Snickers“. Das war sein Lieblingssnack. Stehen wir endlich vor dem Umschwung in Richtung Inklusion hochgewachsener Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln?

Ich bin 1,94 Meter groß und zahle jeden Monat horrende Preise für meine Umweltkarte, weil ich Umwelt gut finde, und bisher kam die BVG meinen Bedürfnissen keinen Schritt entgegen.

"Rampen für Rollstuhlfahrer sind wichtig, aber was ist mit mir?"

Ich stoße mir regelmäßig in der U-Bahn den Kopf an Metallstangen, die zum Festhalten gedacht sind, in Doppeldecker-Bussen kann ich aus orthopädischen Gründen das obere Stockwerk nicht betreten. Ich saß früher so gerne vorne an der großen Scheibe. Damals konnte man noch über den primitiven Spiegelmechanismus dem Busfahrer auf die Halbglatze starren. Meine Beinlänge wird täglich von der BVG ins Lächerliche gezogen: In Bussen stoße ich stets irgendwo an, in U-Bahnen versperren meine Knie den Mittelgang, bei Vierersitzen muss ich meine Beine zwischen die meines Gegenübers strecken. Das nimmt auch nicht jeder mit Humor. Die angeekelten Blicke pubertierender Mädchen, wenn ich meine Stelzen ausfahre, sind auf Dauer etwas kränkend. Ich bin kein Perverser, nur lang gewachsen!

Vorgestern bezeichnete mich eine ältere Dame als „armen Tropf“, als meine Knie die ihren berührten. Ein Schock für mich: Jahrelang redete mir meine Mutter ein, ich sei blond, selbstbewusst, gerade gewachsen, mir gehöre die Welt. Alles zerstört durch die Bemerkung einer Jahreskarten-Abonnentin, die meine Beine zu lang findet. Rampen für Rollstuhlfahrer sind wichtig, aber was ist mit mir? Unsere Bevölkerung wächst mit jeder Generation, weil wir so viel zu futtern haben. Ich bin die Zukunft! Man sollte mich und meine Freunde als Testpassagiere für neue Busse und U-Bahnzüge engagieren. Wenn die Holländer uns genug Hals- und Kniefreiheit einräumen, geben wir grünes Licht, versprochen!

Mehr Beinfreiheit auf Kosten einiger Sitzplätze

Als ich letztens für reiche Leute kellnerte, verlangte eine Kundin für ihren hässlich ("geschmacklos" wäre eine Untertreibung) gekleideten Hund Wasser in einem Silbernapf. Ich setzte sie davon in Kenntnis, dass ihr Hund nur außerhalb des Restaurants trinken dürfe. Das würde sonst die anderen Gäste belästigen. „Soll ich mit ihm raus in die Kälte gehen, oder was?“, lautete die ungläubige Antwort. Ich nickte. „Menü für ein Vermögen verkaufen und trotzdem nicht fähig, meinen Hund mit Wasser zu versorgen“, wetterte sie. Es tat mir leid. Nicht der Frau, sondern des Hundes wegen.

Ich verstehe, dass man nicht auf die Wünsche aller eingehen kann, besonders nicht auf die schlaksiger Jugendlicher mit Minderwertigkeitskomplexen. Vielleicht sind Sie dennoch meiner Meinung, dass ein wenig mehr Beinfreiheit auf Kosten einiger Sitzplätze nicht schaden könnte. Besonders wenn Sie mir morgens im M29 gegenüber sitzen und meine Knie zwischen den Oberschenkeln haben.

Max Deibert

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