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Berlin: „Ich habe den Kopf herausgestreckt – mit Erfolg“

Annette Fugmann-Heesing ist stellvertretende SPD-Vorsitzende – und will es bleiben. Das ist umstritten

Warum gelten Sie bei der Neuwahl des SPDVorstands als Wackelkandidatin?

Wer klare politische Positionen hat, muss dafür kämpfen. Die Haushaltskonsolidierung, die Privatisierung von Landesunternehmen, der Ausstieg aus der Wohnungsbauförderung sind Themen, die auch in der SPD umstritten waren. Ein Kurswechsel war notwendig. Dafür habe ich den Kopf herausgestreckt – nicht ohne Erfolg.

Dann müssten Ihre Parteifreunde doch Beifall klatschen.

Die tun das auch. Ob es schon genug ist, werden wir auf dem Parteitag sehen.

Manche Genossen werfen Ihnen vor, dass Sie keine sozialdemokratischen Positionen mehr vertreten.

Die Sozialdemokratie steht für Freiheit, soziale Gerechtigkeit und Solidarität. Nicht für Bürokratie, Schulden und Sicherung der Privilegien. Unsere Hauptaufgabe besteht darin, die Zukunft des Landes durch bessere Bildung zu sichern.

Um Bildungspolitik zu betreiben, müssen Sie nicht Vize-Landeschefin sein.

Es ist heute nicht mehr so ungewöhnlich, dass Frauen eine Führungsposition ausüben. Manche sähen sie zwar lieber nur in der Bildungspolitik. Aber ich will beides.

Nach dem Rücktritt Peter Strieders wählt die Berliner SPD Michael Müller zum Landeschef. Was unterscheidet die beiden?

Erst mal eine wichtige Gemeinsamkeit: Beide haben Rot-Rot gewollt und befördert. Müller ist jünger und besonders an der Wirtschaftspolitik interessiert. Als Unternehmer kennt er die Sorgen des Mittelstands. Als Fraktionsvorsitzender hat er bewiesen, dass er in schwierigen Prozessen eine starke Persönlichkeit ist.

Auch Müller muss mit den schlechten Umfragewerten für die SPD umgehen.

Auf Situationen des Umbruchs reagieren die Menschen zunächst immer mit Verunsicherung und Abwehr. Ich bin froh, dass die SPD den Mut zum Risiko hatte. Das wird sich für uns alle lohnen, auch wenn wir zwischendurch Prügel beziehen.

Über die Rolle Berlins als Hauptstadt wird in der SPD aber nur halbherzig diskutiert.

Berlin ist Hauptstadt. Damit sich das überall herumspricht, hat Klaus Wowereit den Vorschlag gemacht, dies im Grundgesetz klar auszudrücken. Wir brauchen eine kontinuierliche intellektuelle Auseinandersetzung, die nicht nach ein oder zwei Jahren beendet sein kann. Aber Berlin ist eben nicht nur Hauptstadt, sondern auch Stadt der Wissenschaft und Kultur. Dazu die größte Stadt in Deutschland mit vielen sozialen Konflikten und einer hohen Einwanderungsquote. Und wir können eine besondere Rolle bei der EU-Ost-Erweiterung spielen.

Welchen anderen Themen müsste sich die Berliner SPD stärker zuwenden?

Der Entwicklung des Wirtschaftsstandorts, der Bildung und dem Zusammenleben von Menschen verschiedenster Herkunft.

Und was ist mit dem von Klaus Wowereit angekündigten Mentalitätswechsel?

Der findet statt: Der Tarifvertrag im öffentlichen Dienst und die Entscheidung zur Topographie des Terrors sind Beispiele. Leider müssen wir noch Altlasten aus der Vergangenheit abarbeiten. Entscheidungen nach dem Motto: Es wird schon gut gehen, kann sich Berlin nicht mehr leisten. Das Gespräch führte Ulrich Zawatka-Gerlach

Annette Fugmann- Heesing (Jahrgang ’55) ist seit 1999 stellvertretende Landesvorsitzende der SPD. Von 1996 bis Dezember 1999 war Fugmann-Heesing Finanzsenatorin in Berlin.

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