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Berlin: „Ich war eine männliche Kylie“

Der größte Star auf der Berlinale ist ein Sänger: Pop-Ikone George Michael stellte den Film über sein Leben vor – und hatte Lampenfieber

Ein Empfang wie für einen Hollywood-Star: roter Teppich ausgerollt, begeisterte Fans aufmarschiert, Regierender Bürgermeister mit Lebensgefährtem angetreten. Dabei ist es kein Schauspieler, sondern ein Sänger, der da am Mittwochabend vor dem Kino „International“ in der Karl-Marx-Allee vorfährt, um einen Dokumentarfilm über sein Leben zu zeigen. So feiert die Berlinale ihren wohl größten Star in diesem Jahr. Schade nur, dass er so wenig mit dem Filmbusiness zu tun hat – und auch keine Ambitionen darauf hat. Auf die Frage, ob er nun erwäge, Schauspieler zu werden, antwortet George Michael kurz und bündig: „Nein.“

Mehr noch. Der Sänger verkündet auf einer Pressekonferenz vor dem Kinobesuch, dass er keine Musik mehr machen will. „Mein Genre ist tot“. Auch Duette, wie zum Beispiel mit Robbie Williams kommen für ihn nicht in Frage: „Ich will nicht snobistisch sein, aber ich glaube, in der Musik-Branche hat niemand Interesse an intelligenter Pop-Musik.“

Aussagen, die so und ähnlich auch seinem Dokumentarfilm zu hören sind, der im Panorama der Berlinaleläuft. George Michael sagt, er habe vor der Premiere und der Pressekonferenz vor Aufregung nicht geschlafen, „und wenn 41 Jahre alte Männer nicht schlafen, dann können sie am nächsten Morgen Kinder auf einer Entfernung von 100 Yards erschrecken.“ Seine Augenringe, wenn es denn welche gibt, verbirgt er hinter einer verspiegelten Sonnenbrille, und von seiner Aufregung ist nichts zu spüren, wenn er locker über sein Leben und seine Karriere spricht. Zum Beispiel über sein unfreiwilliges Outing, nachdem er wegen „unzüchtigen Verhaltens“ in einer öffentlichen Toilette festgenommen wurde. Heute ist er bekennend schwul, und auch das hat dazu beigetragen, überhaupt einen Dokumentarfilm über sein Leben zu machen: „Ich habe über 15 Jahre lang nichts oder wenig zu mir selber gesagt, und ich dachte, meine Fans haben jetzt einen Anspruch darauf.“ Das gilt auch für seine Fans in den USA, wo er musikalisch wie politisch als persona non grata gilt, nicht erst seit seiner Kritik an US-Präsident George Bush. „Ich hoffe, dass meine Fans in den Staaten verstehen werden, dass ich nicht zu ihnen komme.“

Als Pop-Ikone der 80er Jahre ist er überzeugt, dass seine Karriere unter den heutigen Bedingungen nicht so verlaufen wäre. „Industrie und Medien sind heute so differenziert, da glaube ich, dass es schwer wird, eine neue Madonna oder einen neuen George Michael zu finden.“ Wünscht er sich, dass die 80er wiederkommen? Solange die Mode nicht wiederauflebt, wäre das schön, sagt er: „Ich habe mich schrecklich angezogen, war wie eine männliche Kylie Minogue.“ Die Gründe dafür liefert er auch: „Ich hatte keinen Sex und damit auch kein Modebewusstsein.“ Das ist heute anders.

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