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Berlin: Ich wollte frei reisen

Ein Gefühl von Freiheit mochte bei Wolfgang Thierse mit bestandener Reifeprüfung nicht aufkommen – im Gegenteil. „Frisch eingesperrt waren wir“, erinnert sich der Bundestagspräsident an seine Abi-Zeit im südthüringischen Hildburghausen.

Ein Gefühl von Freiheit mochte bei Wolfgang Thierse mit bestandener Reifeprüfung nicht aufkommen – im Gegenteil. „Frisch eingesperrt waren wir“, erinnert sich der Bundestagspräsident an seine Abi-Zeit im südthüringischen Hildburghausen. 1962 war das, ein knappes Jahr nach dem Mauerbau. „Ich habe die Atmosphäre noch genau in Erinnerung. Das letzte Schuljahr war furchtbar. Wir wurden politisch unter Druck gesetzt.“ Da fing der damals 18-Jährige an zu träumen. Er träumte, sich wieder „frei bewegen zu können, frei reisen zu können.“ Die Teilung Deutschlands war in Hildburghausen zu spüren: „Ich bin in der Nähe der Grenze aufgewachsen. Mein Vater hatte als Rechtsanwalt Grenzverletzer verteidigt.“ Auch der Sohn wollte zunächst Jurist werden. „Aber das Risiko, Staatsdiener zu werden, war mir zu groß.“ Ja, wenn er im Westen gewesen wäre, dann hätte er vielleicht Jura studiert oder wäre Journalist geworden. Doch „politische Gesichtspunkte“ schlossen diese Wege für ihn damals aus. Also erlernte er zunächst den Beruf des Schriftsetzers. Ab 1964 studierte Thierse Kulturwissenschaften und Germanistik an der Humboldt-Uni. 25 Jahre später: Mauerfall. Thierses Traum hat sich erfüllt. Die erste kleine „Reise“ geht nach West-Berlin. Und dann? „Die richtige Zeit zum Reisen war da erst mal nicht. Ich war zu sehr mit Politik beschäftigt.“

Aufgezeichnet von

Viola Volland

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