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Die Rotlichtverstöße in Berlin haben zugenommen.

© dpa

Idaho-Regelung gegen Fahrradunfälle?: Berlin sieht Rot - und fährt drüber

Mehr Unfälle, mehr Verstöße: Vor allem Radfahrer missachten Ampeln. Ein Grüner will das legalisieren - mit der so genannten "Idaho-Regelung".

Laut einer internen Erhebung der Berliner Polizei haben im Berliner Verkehr sowohl Unfälle als auch Rotlichtverstöße im ersten Halbjahr 2015 stark zugenommen. Wir haben die wichtigsten Ergebnisse der Statistik zusammengestellt:

Das sind die Unfallschwerpunkte

Obwohl der Kreisverkehr unter Verkehrsplanern als Musterlösung gilt, sind drei von ihnen unter den vier häufigsten Unfallorten der Stadt. Am meisten passierte dieses Jahr von Januar bis Ende Juni am Ernst-Reuter-Platz. 212 Unfälle wurden vom großen Kreisverkehr in Charlottenburg vermeldet – 29 mehr als im Vorjahreszeitraum.

In den Straßen rund um das Schlesische Tor in Kreuzberg nahmen die Unfälle sogar noch mehr zu: Die Zahl stieg um 63 Fälle auf 167 an. Den dritten Platz teilen sich der Große Stern im Tiergarten und der Jakob-Kaiser-Platz in Charlottenburg; hier wurden je 125 Unfälle verzeichnet. An beiden Plätzen ist die Zahl im Vergleich zum Vorjahreszeitpunkt leicht gestiegen.

Weitere Schwerpunkte sind der Innsbrucker Platz in Schöneberg (93 Unfälle), die Straßen rund um das Kottbusser Tor (80) und der Falkenseer Platz in Spandau (74). Insgesamt gab es im ersten Halbjahr 66 546 Unfälle – das sind 1541 mehr als im Vorjahreszeitraum.

Weniger Blitzer - mehr Rotfahrer

Die Berliner fahren häufiger über Rot. Die 17 stationären Anlagen verzeichneten mit 14 958 Rotlichtverstößen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 14 Prozent Zuwachs. Auch die Zahl der besonders dreisten Ampel-Missachter hat zugenommen: 2861 Verkehrsteilnehmer überquerten eine Kreuzung, obwohl sie schon länger als eine Sekunde Rot hatten.

Das sind 26 Prozent mehr als 2014. Die Zahl ist umso bemerkenswerter, weil die Blitzer dieses Jahr bislang sehr viel unzuverlässiger funktionierten: Fielen sie im ersten Halbjahr 2014 nur knapp 16 Prozent der Zeit aus, waren sie im selben Zeitraum 2015 fast ein Viertel der Zeit nicht in Betrieb.

Weniger Tests - weniger Alkohol

Immerhin, einige Lichtblicke gibt es. So nahm die Zahl der Unfälle durch alkoholisierte Verkehrsteilnehmer im ersten Halbjahr 2015 um 16 Prozent auf insgesamt 555 ab. Ob die Berliner auch seltener betrunken fuhren oder nur seltener alkoholisiert Unfälle verursachten, ist allerdings unklar. Zwar erwischte die Polizei deutlich weniger Trinker im Verkehr, allerdings geht aus den Daten auch hervor, dass die Beamten deutlich seltener Blutentnahmen durchführten.

Weniger Unfälle durch Raser

Auch die Zahl der Unfälle durch Raser hat 2015 bislang im Vergleich zum Vorjahr stark abgenommen – sogar um mehr als 32 Prozent. 1229 Mal war eine überhöhte Geschwindigkeit die Unfallursache. Damit bestätigt sich ein Trend, den die Beamten auch bei Geschwindigkeitskontrollen beobachten.

Waren 2014 noch 5,18 Prozent der gemessen Fahrzeuge zu schnell, sank der Wert in den ersten sechs Monaten 2015 minimal auf 5,11. Allerdings wurde auch hier deutlich weniger kontrolliert.

Radler sehen Rot

„Ja, kontrolliert die Polizei denn gar nichts mehr?“, möchte man fragen. Eine große Ausnahme gibt es: So wurden deutlich mehr Radfahrer dabei erwischt, als sie über Rot fuhren. Insgesamt gab es im ersten Halbjahr 2015 satte 8591 Bußgeld- und Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Radfahrer – allein 3500 davon in Mitte.

Laut dem Verkehrsexperten Stefan Gelbhaar (Grüne) liegt das vor allem an der „Kontrollschärfe“ der neu eingeführten Fahrradstaffel. Der Abgeordnete fordert mehr Grüne Welle für Radfahrer. Gelbhaar hat aber einen noch radikaleren Vorschlag im petto: Seit 2012 laufe ein Pilotprojekt in Paris, bei dem Radfahrer bestimmte mit Schildern markierte rote Ampeln überfahren dürfen, nachdem sie gehalten und sich umgeguckt haben – die Unfallzahl mit Radfahrern in der französischen Hauptstadt habe seitdem stetig abgenommen.

Die sogenannte Idaho-Regelung müsste allerdings erst auf Bundesebene freigegeben werden. „Wir könnten das dann an Kreuzungen in Berlin erproben“, sagt Gelbhaar.

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