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Berlin: Ideen vom Hauptbahnhof

Mankell besuchte Aufführung seines Stücks am Gorki-Theater

Am Ende der Vorstellung im Maxim- Gorki-Theater sitzt Henning Mankell in einem Sessel mit weinrotem Polsterbezug. Er signiert Romane, die ihm seine Berliner Fans nach sorgfältigem Glattstreichen der Eselsohren reichen. Er wirkt ein wenig gelangweilt, indem er die Grußbotschaften schreibt. Mankell hat die Beine jetzt übereinander geschlagen. Vor wenigen Minuten waren sie noch ausgestreckt, und der schwedische Krimiautor saß auch nicht in dem weichen Sessel, sondern auf einem Holzstuhl auf der Bühne des Theaters und unterhielt sich mit dem Publikum über „Zeit im Dunkeln“, sein Bühnenstück, das seit Juni läuft. Zwei Flüchtlinge, Vater und Tochter, harren darin in einer leeren Wohnung aus und warten auf Papiere, die ihnen endlich wieder eine Identität geben sollen.

Der Saal ist am Sonntagabend voll besetzt. „Die Geschichte hat mir Magenschmerzen bereitet“, sagt eine Frau aus dem Publikum. Sie spricht englisch mit spanischem Akzent und sucht nach den richtigen Worten. Und während die junge Frau berichtet, wie nah ihr die Szenen der Flüchtlingsfamilie gegangen seien, hält Mankell die Augen geschlossen. „Ich habe dieses Stück geschrieben, weil man weder im Film noch im Fernsehen wirklich darstellen kann, wie das innerste Empfinden von Flüchtlingen wirklich ist“, sagt der Autor nach den Ausführungen der Zuschauerin. „Das gelingt nur im Theater“, fügt er hinzu und wiegt sich dabei, die Hände vor der Brust verschränkt.

Zwei Wochen habe es gedauert, das Bühnenstück zu schreiben, erzählt er später. Auf dem Hauptbahnhof in Stockholm sei ihm die Idee zu „Zeit im Dunkeln“ gekommen. „Ich wartete auf meinen Zug und beobachtete die Menschen, die an mir vorbeieilten. Ich fragte mich, wer existiert von ihnen und wer existiert nicht. Und mit existieren meine ich, wer darf sich legal im Land aufhalten.“ Wenige Wochen später reiste der Schriftsteller nach Madrid, besuchte Flüchtlingslager und schloss sich zwei Wochen lang in einem Hotelzimmer ein, um „Zeit im Dunkeln“ zu schreiben.

Jetzt meldet sich eine andere Zuschauerin zu Wort. „Ich habe bei dem Stück an etwas anderes gedacht“, sagt sie, „an das Zuwanderungsgesetz nämlich. Ich frage mich, ob wir nicht einmal alle Abgeordneten des Bundestages in die Vorstellung einladen sollten.“ Henning Mankell lächelt jetzt und verschränkt seine Arme noch fester vor der Brust.

Mandy Schielke

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