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Berlin: Im Ausland leben – das Geld vom Sozialamt kommt trotzdem

Berlin zahlt für 160 Berliner. Ämter entscheiden individuell über die Höhe der Unterstützung. Auf Überprüfungen wird wegen des hohen Aufwands verzichtet

Von Sabine Beikler

Eine Wohnung in Florida, Miami Beach, mit Doorman und traumhaftem Blick auf den Atlantik für 779 Euro: Nach einem Urteil des Lüneburger Oberverwaltungsgerichtes muss das Landessozialamt die Miete eines 64-jährigen Sozialhilfeempfängers aus Osnabrück übernehmen. Ein Einzelfall?

Immerhin 580000 Euro zahlte Berlin im vergangenen Jahr für 160 im Ausland lebende deutsche Sozialhilfeempfänger – im Durchschnitt monatlich also rund 300 Euro für jeden einzelnen. Der Regelsatz für einen in Berlin lebenden Sozialhilfeempfänger liegt derzeit monatlich bei 297 Euro. Betroffene im Ausland haben ebenfalls einen Anspruch auf Übernahme der Mietkosten und können Beihilfen beantragen. Nur hängt die Unterstützung für Sozialhilfeempfänger laut Roswitha Steinbrenner, Sprecherin der Sozialverwaltung, von den individuellen Verhältnissen im Ausland ab. „Lebt jemand in einem afrikanischen Land, bekommt er weniger Sozialhilfe wie jemand, der in einem EU-Land lebt.“ Das Sozialamt in Steglitz-Zehlendorf übernimmt stellvertretend für alle Berliner Ämter die Auszahlung für Sozialhilfeempfänger im Ausland.

In dem spektakulären „Florida-Fall“ lebt der Mann seit längerem dort. Er hat sich bei seiner Klage auf den Paragraphen 119 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) berufen: „Deutschen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben und Hilfe bedürfen, kann in besonderen Fällen Sozialhilfe gewährt werden.“ Besondere Fälle sind wie bei dem 64-Jährigen schwere Krankheiten oder außergewöhnliche Situationen wie zum Beispiel ein Gefängnisaufenthalt im Ausland.

Mit der Regelung im Bundessozialhilfegesetz sollten ursprünglich Personen erfasst werden, die während des Nationalsozialismus geflohen waren. Diese NS-Opfer sollten sozialhilfeberechtigt sein, falls sie in Not gerieten: Zugleich wollte man diesen Menschen die Rückkehr nach Deutschland nicht zumuten. Ob es gegenwärtig noch solche Fälle gibt, ist nicht zu erfahren.

Normalerweise muss ein Antrag auf Sozialhilfe beim Sozialamt in dem Bezirk gestellt werden, in dem man gemeldet ist. Doch Antragsteller aus dem Ausland können die Anträge aus der Ferne einreichen. Neben der Sozialhilfe gewähren die Ämter eine Reihe von Beihilfen – auch für im Ausland lebende Berliner: von der Mietzahlung bis hin zur Bekleidungspauschale (jährlich 277 Euro pro Person) und Weihnachtsbeihilfe (50 Euro für den Haushaltsvorstand). Außerdem gibt es einmalige Leistungen zum Beispiel für Lernmittel, Möbel, Waschmaschinen oder Kühlschränke. Geprüft werden soll jeder Antrag: Sozialamtsprüfer besichtigen die Wohnungen und entscheiden, ob der Bedarf tatsächlich vorliegt. Aber wie verfährt man mit den im Ausland lebenden Sozialhilfeempfängern? Eine Reise – zum Beispiel nach Florida – wäre ein „unverhältnismäßig großer Aufwand“. Dann verzichtet man lieber gleich auf die Prüfung.

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