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Berlin: Im Berliner Büro der Mediziner rechnete gestern niemand mit der Ehrung

Es war schon mitten am Vormittag, als Christine Schmitz feststellte, dass ihr Tag anders als geplant verlaufen würde: Sie würde nicht zu Mittag essen, nicht den Kongress der Berliner Ärztekammer zum Thema "Humanitäre Hilfe" besuchen, keine Briefe beantworten. Stattdessen hatte sie den Rest des Tages zwei Telefonhörer und ein Sektglas gleichzeitig in der Hand und schrieb Notizen wie "13.

Es war schon mitten am Vormittag, als Christine Schmitz feststellte, dass ihr Tag anders als geplant verlaufen würde: Sie würde nicht zu Mittag essen, nicht den Kongress der Berliner Ärztekammer zum Thema "Humanitäre Hilfe" besuchen, keine Briefe beantworten. Stattdessen hatte sie den Rest des Tages zwei Telefonhörer und ein Sektglas gleichzeitig in der Hand und schrieb Notizen wie "13.08, Bayerischer Rundfunk" oder "Yes, we have lots of journalists...". Zwischendurch stöhnte sie und sagte Dinge wie: "Heute wäre ich lieber im Feld als hier." Das heißt: in einem der Länder, in denen die "Ärzte ohne Grenzen" (MSF) tätig sind.

Christine Schmitz ist die Leiterin des Berliner "MSF"-Büros und wurde von der Mitteilung, dass die Organisation den Friedensnobelpreis verliehen bekam, eiskalt überrascht. "Wir wussten, dass wir nominiert sind", sagt sie leicht gehetzt, "aber das war in den vergangenen Jahren auch schon so." Eine "Warnung" wurde nicht ausgesprochen; auch der Überbringer der Nachricht saß nicht in Oslo, sondern im Berliner Büro der Nachrichtenagentur ap.

Erst vor einem Jahr baute Schmitz das Berliner MSF-Büro auf. Sie ist die einzige festangestellte Mitarbeiterin in einem spartanisch eingerichteten Zwei-Raum-Büro in einem Hinterhof in Prenzlauer Berg. An der Wand hängt eine Weltkarte, ein paar Bilder, an der Pinnwand die Einladungen für die nächsten Veranstaltungen. Auch wenn die Berliner Vertretung noch relativ jung ist und im kommenden Jahr mit dem zuziehenden Bonner Büro zusammengelegt wird, ist das Berliner Büro ein ausgesprochen erfolgreiches. "Die Berliner sind toll", lobt Ron Herrmann, der hier am 1. November von Christine Schmitz die Leitung übernimmt. "Wir haben binnen kürzester Zeit unglaublich viel Unterstützung bekommen."

Etwa 40 Berliner Ärzte sind für MSF im Einsatz. Drei sind zur Zeit "im Feld", in Birma, Burundi, und China. Andere warten auf ihren nächsten Einsatz oder stehen als sogenannte "Expatriates" zur Verfügung. Sie treten bei Informationsveranstaltung auf oder firmieren als medizinische Experten. Nicht alle sind Ärzte; die "Mediziner ohne Grenzen" beschäftigen auch Krankenschwestern, Logistiker und Hebammen.

Das Berliner Büro kümmert sich besonders um die Rekrutierung von engagiertem Personal. Gemeinsam mit der Charité gibt es regelmäßig Veranstaltungen. Die, die sich bei MSF meldeten, kämen aus völlig verschiedenen Ecken: "Zum Teil sind es junge Leute, die gerade fertig geworden sind", sagt Herrmann, "andere haben schon Jahre gearbeitet." Manche bleiben lange dabei: Ein Berliner Arzt verlässt demnächst zum dritten Mal die Stadt.

Auch Christine Schmitz war mehrfach im Ausland, zuletzt im Mai in Kosovo. "Das schlimmste war die Traumatisierung der Menschen", sagt Schmitz, "der Bedarf an psychologischer Unterstützung wird dort für Jahre enorm sein." Zu Zeiten der größten Flüchtlingskrise in Kosovo und Mazedonien war MSF dort mit 25 Ärzten im Einsatz. Bei der Auswahl wird vor allem auf die Motivation geachtet. "Wer eine gescheiterte Beziehung hinter sich hat oder schlicht das Abenteuer sucht, ist in der Regel der Falsche", sagt Herrmann. Voraussetzung seien die fließende Beherrschung mindestens einer der Sprachen Englisch, Französisch oder Spanisch.

Jeannette Goddar

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