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Berlin: Im Einsatz für tote Soldaten und Zwangsarbeiter Helmut Sprenger ärgertesichüberungepflegte Gräber in Hohenschönhausen. Nun streiten sich Senat und Friedhof, wer zuständig ist

Helmut Sprenger kann hartnäckig sein, wenn ihm etwas missfällt, sehr sogar. Der Mann mit der Uhu-Brille lächelt in sich hinein, wenn er das sagt.

Helmut Sprenger kann hartnäckig sein, wenn ihm etwas missfällt, sehr sogar. Der Mann mit der Uhu-Brille lächelt in sich hinein, wenn er das sagt. Er war mal Krankenpfleger und hat verschiedene Heime geleitet. Jetzt ist er Rentner. Er sagt, man darf sich nicht abwimmeln lassen, wenn man für die Schwachen in der Gesellschaft etwas erreichen will.

Diejenigen, denen Helmut Sprenger aus Charlottenburg dieses Mal zu ihrem Recht verhelfen will, sind nicht schwach, sondern tot: Kriegsopfer, viele von ihnen waren Zwangsarbeiter. In gewisser Weise, sagt Sprenger, „sind diese Toten aber doch Schwache“. Weil sie selbst nicht mehr in der Lage seien, ihre letzten Rechte zu wahren, die der Totenehre, müssten sich Lebende dafür einsetzen.

Sprenger will, dass sich endlich eine offizielle Stelle, eine Verwaltung, eine Landesregierung um die Massengräber auf dem St. Hedwig-Friedhof in Hohenschönhausen kümmert. Dort liegen 2000 Soldaten und Zwangsarbeiter – deutsche, russische, holländische und belgische –, die dort zwischen 1944 und 1946 bestattet wurden. Die Gräber machen einen verwahrlosten Eindruck. Grabsteine sind von Efeu überwuchert, etliche sind umgestürzt, verdorrte Blumensträuße liegen herum. Sprenger hat keine besondere Beziehung zu Soldaten, er kam Ende der Sechziger nach Berlin, um nicht zur Bundeswehr eingezogen zu werden. Er ärgert sich einfach über ungepflegte Gräber.

Beatrice Knoop, Sachbearbeiterin in der Berliner Senatsbauverwaltung, und Johann Weber, Leiter der Friedhofsverwaltung von St. Hedwig, können ein Lied davon singen, dass Helmut Sprenger nicht locker lässt, wenn er etwas erreichen will.

Ja, es gebe ein Problem, das seit längerer Zeit bekannt sei, sagen die beiden. Denn ein Herr weise schon länger und recht beharrlich auf den Missstand hin. Das Problem landete auf Umwegen auf ihren Schreibtischen. Es hat dazu geführt, dass die Senatsbauverwaltung und die Friedhofsverwaltung seit einiger Zeit darum streiten, wer nun dafür zuständig sei, die Gräber in der allseits gewünschten Ordnung zu halten. Und so behauptet die eine Seite, die jeweils andere Seite sei verantwortlich – und müsse deswegen auch zahlen.

Vor zweieinhalb Jahren hat Helmut Sprenger begonnen, Briefe zu schreiben. An die Senatsbauverwaltung, an das Bundesministerium für Familien und Senioren. An die Botschaften Russlands, Hollands und Belgiens. Von den Botschaften hat Sprenger „nix mehr gehört“, wie er sagt. Er hat dann zwar noch einmal angerufen, aber ohne Erfolg. Ein Beamter aus dem Bundesministerium, immerhin, schrieb im Frühjahr 2003 zurück, dass für die Zustände der Kriegsgräber leider die Bundesländer zuständig seien, die aber vom Bund Geld für diese Aufgabe bekämen. Er habe die Senatsbauverwaltung informiert.

Deren Sprecherin Manuela Damianakis sagt: „Wir sind nicht glücklich über den Zustand der Kriegsgräber. Wir haben die Friedhofsverwaltung mehrfach aufgefordert, uns Unterlagen zukommen zu lassen.“ Bisher vergebens.

Johann Weber, der Leiter der Friedofsverwaltung, gibt zwar zu, es könne „im Einzelfall mal passieren, dass das Personal einen verwelkten Blumenstrauß übersieht“. Aber generell verwahrloste Kriegsgräber? Nein, das könne nicht sein. Gleichzeitig ist er der Ansicht, dass es um weit mehr geht als um ein paar verrottete Blumensträuße, die entsorgt werden müssten. „Das eigentliche Problem“, sagt Weber, „ist, dass die Anlage im Bereich der Kriegsgräber komplett umgestaltet werden müsste“. Zu viele Bäume stünden dort. Sein Personal komme daher mit den Maschinen, den Rasenmähern und Laubsaugern, an viele Ecken nicht mehr ran. Zudem: Die Gestaltung der Kriegsgräber entspreche heute nicht mehr den Vorschriften. „Das alles weiß auch die Senatsbauverwaltung.“

Die Bauverwaltung würde den Umbau auch bezahlen, sagt Weber, „aber nicht die Planung. Und die kostet richtig Geld.“ Und zwar rund 100000 Euro, wenn man Weber Glauben schenkt, ein Drittel des Friedhofsetats. Ob es fürs Erste nicht reicht, die Blumen zu entsorgen, lässt er offen.

Weil sich an den Positionen nichts geändert hat, hat sich gar nichts verändert. Seit drei Jahren ärgert sich Helmut Sprenger über verrottete Blumengestecke auf dem Friedhof. Nur kann er nicht einfach aufhören, dorthin zu gehen. Seit 17 Jahren pflegt er die Gräber zweier verstorbener Freundinnen seiner geliebten Tante. Es ist ein Versprechen. Aber er hat einen Entschluss gefasst: Er selbst hat keine Angehörigen. Er will sich anonym bestatten lassen, so billig wie möglich. So müsse er sich über sein ungepflegtes Grab nicht ärgern, bevor er überhaupt gestorben ist.

Marc Neller

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