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Berlin: Im Namen der Musik: Demo statt Love Parade

Der Medienkaufmann Kay Neumann plant nach der Absage des Technoumzugs am 10. Juli eine Kundgebung für die gefährdeten Rechte der Künstler

Die Wand der Ladenwohnung hängt voller DINA-1-Plakate. Auf einigen stehen handgeschriebene Ortsangaben, auf anderen steht „Floats“ – Szenejargon für Lkws mit Lautsprechern und Techno-DJs drauf. Daneben Namen wie Nina Hagen oder Gotthilf Fischer, versehen mit Fragezeichen. In diesem Friedrichshainer Büro laufen die Fäden zusammen für die Veranstaltung, die am 10. Juli das Vakuum füllen soll, das jüngst durch die Absage der Love Parade entstanden ist.

„Mit Musik gegen den Ausverkauf der Musik“ heißt das Motto der Demonstration, „Music ist better with you“ lautet der zentrale Slogan, und mancher erwartet nicht zuletzt wegen solcher Phrasen ein Love-Parade-Imitat, das bloß nicht so heißt. Initiator Kay Neumann liegt es aber fern, sich als der neue Dr. Motte zu gerieren. „Ich will nicht der Erbe der Love Parade sein“, sagt der schlanke Mann mit dem kahlrasierten Schädel und dem kleinen Kinnbärtchen.

„Wir haben ein politisches Anliegen“, erklärt der 32-Jährige und betont immer wieder, wie ernst er es im Gegensatz zu den Love-Parade-Machern meint. Schon lange engagiere er sich für die Interessen von Musikern, erzählt der frühere Diskjockey und jetzige Kaufmann für audiovisuelle Medien. Das Thema liegt ihm am Herzen, seit er in den 90er Jahren in Dortmunder Clubs Veranstaltungen organisierte und selbst zwei Techno-CDs aufgenommen hat. Aktuellstes Ärgernis sind für ihn die Lizenzkürzungen des Verbandes der phonographischen Wirtschaft, die viele Künstler und die Qualität der Musik ernsthaft bedrohten, weil sie für die Verbreitung ihrer Werke wesentlich weniger Geld bekommen.

Als sich im April die Absage der Love Parade erstmals andeutete, meldete Neumann spontan eine Demonstration für den gleichen Tag an. „Das ist die ideale Gelegenheit, das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen.“ So viel Aufmerksamkeit hätte er für sein Anliegen ohne die Assoziation mit der Love Parade kaum bekommen. Jetzt reißt der Strom der Anfragen und Hilfsangebote nicht mehr ab. Auch deswegen soll der Umzug wie sonst die Love Parade auf der Straße des 17. Juni entlangziehen und den Tiergarten mit Technomusik beschallen, wenn auch in kleinerem Umfang. Daneben soll es auf anderen Bühnen Klassik, Jazz und Popmusik geben. „Ich will Hunderttausende auf die Straßen holen, die die Musikkultur erhalten und schützen wollen“, sagt Kay Neumann und wirkt dabei so idealistisch, dass man ihm den musikliebenden Überzeugungstäter durchaus abnimmt.

Sein Hauptquartier ist die Agentur „Machen & Tun“, die Neumanns alter Freund Nils Jahnke (29) kürzlich gegründet hat. Fünf Leute produzieren hier Musik oder Videos für Kunden wie die Krankenkasse AOK. Jetzt sind alle bei der Vorbereitung des 10. Juli eingespannt.

Ob die Demonstration von den Behörden als politische Veranstaltung genehmigt wird, entscheidet sich diese Woche. Neumann ist zuversichtlich, dass die Polizei seine Anmeldung zulässt – und damit Folgekosten wie Straßenreinigung aufs Land abwälzt. Das war bis 2000 auch bei der Love Parade so: Als dieser 2001 der politische Status aberkannt wurde, brach die Finanzierung zusammen, was zur Absage für 2004 führte.

Jetzt wirbt Neumann bei einstigen Sponsoren und Teilnehmern der Love Parade für seine Veranstaltung. Der bisherige Initiator des Spektakels, Fabian Lenz, gibt dem Versuch wenig Chancen: „Unsere Sponsoren unterstützen keine Veranstaltung mit anderem Namen“, sagt er. Die Unternehmen wollten stattdessen helfen, dass die Love Parade 2005 wieder durch Berlin zieht. Auch seien zur Demo kaum so viele Betreiber von Musikwagen zu erwarten wie bei der Parade. Und nicht zuletzt sei eines der gerichtlich festgestellten Kriterien für eine Demonstration, dass es zwei Drittel Redebeiträge geben muss. Das dürfte auch dem härtesten Technofan die Tanzlust austreiben.

Informationen im Internet:

www.musicisbetterwithyou.com

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