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Berlin: Immer mehr Gewalt zwischen Rechten und Linken Verfassungsschutzbericht verzeichnet deutliche Zunahme der Straftaten. Islamisten zerstritten

Hätte der Innensenator noch einen Beleg für seine Warnung vor rechtsextremer Kriminalität benötigt, dann haben ihn vier Neonazis am Dienstagabend in Pankow geliefert. Sie drangen in der Buchholzer Straße in den Probenraum einer vermeintlich linken Band ein, schlugen auf die drei Musiker ein und besprühten sie mit Reizgas.

Von Frank Jansen

Hätte der Innensenator noch einen Beleg für seine Warnung vor rechtsextremer Kriminalität benötigt, dann haben ihn vier Neonazis am Dienstagabend in Pankow geliefert. Sie drangen in der Buchholzer Straße in den Probenraum einer vermeintlich linken Band ein, schlugen auf die drei Musiker ein und besprühten sie mit Reizgas. Schon kurz nach dem Überfall war die Polizei zur Stelle und nahm die in einem Pkw fliehenden Rechtsextremisten im Rosenthaler Grenzweg fest. Solche Vorfälle und die beinahe täglichen Meldungen über rechte Straftaten „beunruhigen mich“, sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) gestern bei der Vorstellung des Jahresberichts 2004 des Berliner Verfassungsschutzes.

Offenkundig befinde sich ein Teil der rechten Szene nach den Erfolgen von NPD und DVU bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg im letzten Herbst „im Überschwang“. Das gelte auch für die Gewaltbereitschaft, obwohl die Polizei-Statistik für 2004 einen Rückgang einschlägiger Delikte gegenüber dem Vorjahr ausweise. Und generell bereiten dem Senator die zunehmenden Auseinandersetzungen zwischen Rechtsextremisten und radikalen Linken Sorge. Die im Verfassungsschutzbericht genannten Zahlen sind deutlich: Straftaten von Rechtsextremisten gegen Linke nahmen 2004 auf 38 zu (2003: 30), die von Linken gegen Rechtsextremisten begangenen Delikte sogar auf 206 (2003: 95).

Die rechtsextremen Parteien in Berlin haben allerdings von den Wahlerfolgen in Sachsen und Brandenburg nicht profitiert. Bei NPD und DVU gingen die Mitgliederzahlen leicht zurück, die „Republikaner“ brechen – auch bundesweit – weiter ein. Zulauf haben dafür Neonazi-Kameradschaften. Zwei dieser jungbraunen Vereinigungen, die „Kameradschaft Tor“ und die „Berliner Alternative Süd-Ost“, hatte Körting im März verboten. Es gebe keine Anzeichen, so der Senator, dass der „organisatorische Zusammenhalt“ dieser Kameradschaften fortbesteht.

Im linksextremen Spektrum bleiben die Parteien ebenfalls blass. DKP und MLPD spielten in Berlin keine nennenswerte Rolle, sagte Körting. Die aktionsorientierte Szene ist hingegen in Bewegung. Die „militante gruppe“ verübte fünf Brandanschläge. Bei den Autonomen schlossen sich vier Gruppen zum Bündnis „Act!“ zusammen. Doch in der Szene wird der Riss zwischen der „antideutschen“ Fraktion, die pro Israel agitiert, und den „antiimperialistischen“ Palästinenserfreunden immer tiefer.

Spannungen muss auch die größte islamistische Organisation aushalten, die türkische „Islamische Gemeinschaft Milli Görüs“. Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid berichtete von der Spaltung zwischen Traditionalisten und „modernen jungen Leuten, die hier groß geworden sind“. Der Konflikt werde aber nicht in der Öffentlichkeit ausgetragen. Schmid und Körting betonten, die islamistische Terrorgefahr bleibe hoch.

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