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Berlin: Immer mit der Ruhe

Fast jeden Tag fahre ich mit dem Fahrrad durch den kleinen Park am Weinbergsweg, ich wohne seit zehn Jahren um die Ecke. Wenn die Sonne scheint, ist es immer eine Fahrt mit Hindernissen.

Fast jeden Tag fahre ich mit dem Fahrrad durch den kleinen Park am Weinbergsweg, ich wohne seit zehn Jahren um die Ecke. Wenn die Sonne scheint, ist es immer eine Fahrt mit Hindernissen. Auf den Wegen schlendern Paare. Andere liegen auf der Rasenfläche in der Sonne. Sie dösen, reden, rauchen, trinken oder schreiben auf ihren Laptops. Auch die Terrasse des Restaurants Nolas am oberen Ende des Parks ist brechend voll, nicht selten herrscht dort Promi-Alarm. Zumeist sind es Leute um die 30, die hier sind. Einige mit Kindern, andere durch ihren Lesestoff als Studenten erkennbar, viele aus der Medien- und Modebranche.

Das Bild ändert sich am Parkrand. Dort komme ich an einer Gruppe von Alkoholikern vorbei, dann an einem Dutzend Drogenhändler. Sie verkaufen vor allem Marihuana, seit Neuestem auch Härteres. Jedes Mal, wenn sie mich sehen, macht es: Pssst. Die Dealer werden aggressiv, wenn man sagt: Hau ab, Arschgeige. Oft streiten sie untereinander, wer seinen Stoff verkaufen darf.

Warum sie dort stehen und das schon seit einigen Jahren ist klar: Es gibt Kundschaft in dieser Ecke der Stadt. Auch der Drogenhandel folgt dem Gesetz von Angebot und Nachfrage. Nun ist es aber diese Randerscheinung, die mehr und mehr das Bild des Parks prägt. Das hat mit den aggressiven Dealern und dem Auftauchen von Heroinsüchtigen zu tun. Zum anderen aber steckt hinter der Aufregung die Sehnsucht einer Gruppe von Anwohnern und Geschäftsinhabern nach einer heilen Welt, die rund um den Rosenthaler Platz noch nie zu haben war. Da muss man nur Alfred Döblins Roman Berlin Alexanderplatz lesen, der hier spielt. Offenbar glaubt die Initiative jedoch, dass Drogenhandel und -konsum im neubürgerlichen Mitte vom Himmel gefallen seien. So, als gehörten diese Erscheinungen des zerklüfteten Berliner Sozialgefüges naturgemäß nach Kreuzberg, Wedding und Neukölln.

Diese Haltung finde ich besonders dann unerträglich, wenn süffisant darauf verwiesen wird, dass die Dealer Araber und Schwarze seien und ein soziales Problem so zu einem ethnischen umgedeutet wird, dem, so die Implikation, mit dem Ausländerrecht beizukommen sei.

Es ist völlig richtig, wenn sich die Anwohner zusammentun, um den Dealern die Grenzen zu zeigen. Wenn ihr Projekt aber darin besteht, eine hippe Trutzburg gegen den nahen und armen Wedding zu errichten, dann ohne mich. Dass der Park am Weinbergsweg nach wie vor die beliebteste Grünfläche zwischen Mauerpark und Hauptbahnhof ist, die zudem gerade für fast eine Million Euro saniert wird, ist bei der Diskussion ohnehin völlig in den Hintergrund geraten.

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