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Berlin: Immer schön der Wasserfahne nach

Trotz heftiger Regengüsse strampelten am Sonntag 100000 Menschen bei der Sternfahrt durch Berlin

Radler sind genügsam. Sie fordern schlicht Respekt für sich und ihresgleichen, wenn sie – meist bei strahlendem Sonnenschein – auf der alljährlichen Sternfahrt durch Berlin radeln. An diesem Sonntag kommt eine existenzielle Forderung hinzu: Radelwetter. Oder wenigstens etwas wärmere Regentropfen.

Am südöstlichen Stadtrand prasselt die erste kalte Dusche auf die rund 100 in Königs Wusterhausen Gestarteten. Mit Bugwelle rollt der Tross durch Köpenick, schweigsamer als sonst, den Blick auf die Wasserfahne des Vordermannes gerichtet. Auch den begleitenden Polizisten scheinen schon hier die Funkgeräte nass geworden zu sein, denn sie kommunizieren via Außenlautsprecher: „Frank, mach du mal da drüben zu!“, oder „Ecki, bleib da! Bleib daha, Ecki!!“

Nachdem die Sonne einen kurzen Blick auf die Radlerschar geworfen hat, dreht Petrus in Rudow wieder den Hahn auf. Höchst unterschiedliche Regenjacken werden hervorgekramt. Vom atmungsaktiven Windstopper mit Teflonnaht bis zum Modell Mülltüte ist alles dabei. Das Wetter lichtet die Reihen, aber es bleiben keineswegs nur die ganz Harten übrig, sondern auch Gelegenheitsradler, denen der Regen mal richtig den Staub vom Schutzblech spült. Zur Sternfahrt mit ihren 17 Routen ist jeder gern gesehen; die Masse soll’s machen. Motto: Je mehr Radler, desto mehr Respekt.

Max ist eher einer von den Harten. Der 27-Jährige ist jahrelang hauptberuflich für den Kurierdienst Messenger geradelt, der zu den Unterstützern der Sternfahrt gehört. Max fährt freiwillig mit: Erstens wegen der Faszination, die vom Geklingel erfüllten Britzer Autobahntunnel ausgeht – Highlight der anderen Routen ist die Avus –, und zweitens, damit sein Job sicherer wird. „Autofahrer, die gerade mein Leben gefährdet haben, motzen mich im nächsten Moment noch an“, sagt er und seufzt. „Besonders in Berlin.“

Mit dieser Ansage ist vielleicht der politischste Moment der ganzen Demo erreicht; ringsum unterhalten sich die Leute über die nächsten Ausflüge oder halten Fotohandys hoch über die Traube, von der weder Anfang noch Ende zu sehen sind.

Es sind spürbar weniger als die offiziell 250000 Radler des Vorjahres dabei, aber am Nachmittag meldet Organisator Benno Koch vom Fahrradclub ADFC durchnässt, aber zufrieden: „Wir haben uns mit der Polizei auf 100000 Teilnehmer geeinigt. Großartig – bei diesem Wetter.“ Auch Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) hatte sich vor dem Britzer Tunnel eingereiht. „Das ist auch ein Zeichen, dass wir mit diesem Senat in Berlin auf gutem Weg sind“, sagt Koch. Als die Radler auf dem Umweltfestival am Großen Stern eintreffen, signalisiert endlich auch Petrus Unterstützung. Die Straße dampft im Sonnenlicht. In den Bäumen singen die Amseln. Die hört man hier sonst gar nicht.

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