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Berlin: Immer weniger Berliner leben von Arbeit

Zwei Millionen Menschen in der Hauptstadt erhalten Rente, Sozialhilfe, Arbeitslosengeld oder werden von ihren Angehörigen unterstützt

Von ihrer eigenen Hände Arbeit leben immer weniger Berliner. Laut den jetzt veröffentlichten Angaben des Statistischen Landesamtes schrumpft seit 1991 der Anteil der Erwerbstätigen in der Hauptstadt stetig. Im vergangenen Jahr verdienten von 3,4 Millionen Einwohnern rund 1,3 Millionen ihren Lebensunterhalt selbst, das sind 39 Prozent. 1991 lag dieser Anteil noch bei über 48 Prozent. Damit leben in Berlin inzwischen fast genauso viele Menschen von staatlichem Geld wie von eigener Arbeit. 23 von 100 Berlinern bestreiten ihren Lebensunterhalt von der Rente. Weitere 16 leben von Arbeitslosengeld und -hilfe oder Sozialhilfe. Hinzu kommen rund 21, die vom Verdienst ihrer Eltern oder Ehepartner abhängig sind.

In der Senatssozialverwaltung mag man der statistischen Trennung der Einkommen aus Arbeitslosengeld und Rente von denen aus Erwerbstätigkeit nicht folgen. „Auch Arbeitslose und Rentner leben von eigenem Geld“, sagt Roswitha Steinbrenner, Sprecherin von Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner. „Schließlich haben sie dafür Beiträge eingezahlt.“

Trotzdem sei der Trend Besorgnis erregend. Der Hauptgrund für die Entwicklung sei die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit, sagt Steinbrenner. Seit 1991 fielen in Berlin rund 300000 Industriearbeitsplätze weg. Und der Dienstleistungssektor könne diesen Verlust nicht ausgleichen. Die Folge sei eine andauernd hohe Arbeitslosigkeit. „Je länger jemand keine Arbeit hat, desto eher rutscht er in die Sozialhilfe.“ Dabei wirkten in Berlin zwei Tendenzen, die sich gegenseitig verstärkten: Während im Osten viele Hochqualifizierte keinen Job fänden, weil es einfach keine gebe, rutschten im Westen viele schon nach der Schule in die Sozialhilfe, weil sie keine oder nur eine unzureichende Ausbildung für einen Job hätten.

In Ost-Berlin verdienen rund 44 Prozent der Einwohner ihr Geld mit einem Job, im Westen liegt die Quote bei 37 Prozent. Überraschen mag, dass im Plattenbaubezirk Marzahn-Hellersdorf die meisten Erwerbstätigen leben. 46 Prozent haben hier ein eigenes Einkommen. Damit liegt der Bezirk an der Spitze in Berlin – und das trotz der schlechten Noten im aktuellen Sozialstrukturatlas, der einen Trend zur Verslumung in diesem Bezirk registrierte. In Neukölln, dem Schlusslicht in der Statistik, kann nur jeder dritte Einwohner sein Geld selbst verdienen.

Der Negativtrend in Berlin könnte sich noch verstärken, befürchten Fachleute. „Die Gefahr besteht, dass sich das Verhältnis von Erwerbstätigen zu den Nicht-Erwerbstätigen weiter verschiebt“, sagt Karl Brenke, Berlin-Experte beim Deutschen Institut der Wirtschaftsforschung (DIW). „Selbst wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland verbessern, wird Berlin wegen seiner ungünstigen Wirtschaftsstruktur davon nicht sehr stark profitieren können.“

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