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Berlin: Immer wieder Hasenheide

Seit 30 Jahren werden im Volkspark und am Hermannplatz Drogen gehandelt – die Polizei ist machtlos

Bevor man im Volkspark Hasenheide von einem Dealer angesprochen wird, schlägt eine Anwohnerin ein Spiel vor. Das Spiel geht so: Man steht an der Fontanestraße und schaut, wer dort in den Park geht. Und sie sagt voraus, wer wenige Minuten später wieder mit Drogen in der Tasche herauskommt. In diesem Fall sind es binnen weniger als 30 Minuten ein paar junge Männer, die ihre Roller oder Autos am Parkeingang abstellen, in den Park laufen – und nach höchstens fünf Minuten wieder auftauchen und wegfahren. Es ist immer das gleiche Spiel. Es gibt sogar einen Ort, von dem man den Drogenhandel in der Hasenheide aus einiger Entfernung beobachten kann.

Es ist Sonntagmittag, Tag zwei, nachdem hier ein Polizist niedergeschossen wurde, vermutlich von einem Dealer. Es ist ein Tag, der ahnen lässt, warum die Hasenheide und die angrenzenden Straßen in Neukölln und Kreuzberg seit Jahrzehnten das sind, was im Amtsdeutsch der Polizei „Drogenschwerpunkt“ heißt. Trotz aller Bemühungen, das zu ändern.

Väter fahren Schlitten mit ihren Kindern, Jogger drehen ihre Runden, und dort, wo es ein Unterholz gibt, stehen Dealer, die ihre Drogen verkaufen oder auf Kundschaft warten. „Tssst“, ein gepresster Zischlaut, wenn jemand vorbeiläuft, der Kundschaft sein könnte.

„Tssst“, das heißt frei übersetzt: brauchst du Stoff? Alles ist wie immer, die ewiggleichen, scheinbar unabänderlichen Rituale. Anders als sonst fallen am Parkeingang in der Fontanestraße Ermittler auf, die versuchen herauszufinden, wer auf ihren Kollegen geschossen hat. Seit Freitagabend waren auffällig viele Polizisten zugegen. Geändert hat das wenig. Die Dealer bemühen sich nicht, zu verschleiern, dass sie Drogen verkaufen. Sie halten sich einfach daran, nicht mehr als sechs Gramm Haschisch oder Marihuana bei sich zu haben, damit die Polizei nichts gegen sie unternehmen kann. Größere Mengen befinden sich in Verstecken. Wird Nachschub gebraucht, stehen Kollegen Schmiere.

Die Polizei versucht, die Drogenverkäufer intensiver zu beobachten, ihre Tricks zu begreifen und ihrer Hintermänner habhaft zu werden. Die Anwohnerin sagt: „Die Polizei hat doch keine Chance, es sind zu viele Verkäufer.“ Ein Hauptkommissar hat vor ein paar Monaten gesagt: Das Einzige, was sich in den vergangenen dreißig Jahren geändert habe, sei die Hautfarbe der Dealer.

Laut einer Studie der Technischen Universität besucht der durchschnittliche Besucher den Park in der Hasenheide seit etwa elf Jahren. Der durchschnittliche Dealer kommt vermutlich auf ein paar Jahre weniger. Am Haupteingang steht eine Statue vom Turnvater Jahn, der dort seine Übungen gemacht hat. Der Ort gehört jetzt den Junkies und Dealern. Hier wird Heroin verkauft.

Am Parkeingang gibt es ein Café. Die Inhaberin versucht, die Dealer aus ihrem Laden zu halten. Sie hatten Drogen versteckt, in den Klos zum Beispiel. „Ich habe ihnen gesagt, dass sie mich in Ruhe lassen sollen, dass ich keinen Stress haben will.“ Vor allem nicht mit der Polizei. Sie verkauft keinen Kaffee zum Mitnehmen mehr, den Zigarettenautomaten hat sie ausgebaut. Bis jetzt, sagt sie, wirke es.

Marc Neller

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