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Berlin: In der Mensa wird Demokratie geübt

Friedrichshain-Kreuzberg führt Bürgerhaushalt ein – Besuch eines Infoabends

Vor der Mensa des Oberstufenzentrums Handel in Kreuzberg gönnt sich Christian Schnack eine Pause. In der Mensa sitzen am Freitagabend etwa 50 Personen und hören sich die Pläne des Bezirks zum Bürgerhaushalt an. Schnack hat nach knapp zwei Stunden genug: „Hier weiß immer noch keiner, was er eigentlich machen soll“, kritisiert er. Dabei müsste er es eigentlich wissen – Schnack ist Politikstudent und hat sein Staatsexamen zum Bürgerhaushalt geschrieben. Er ist mit 27 Jahren der mit Abstand jüngste Teilnehmer an diesem Abend. Auf den harten Holzschalen der Mensastühle haben vor allem Vertreter der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg, des Bezirksamtes und einiger Institutionen Platz genommen

Man stelle sich vor: Da sollen gerade im traditionell kritischen und politisch engagierten Friedrichshain-Kreuzberg die Bewohner am politischen Prozess beteiligt werden und keiner geht hin. „Ich befürchte, dass das Ding durch schlechtes Management platzt“, sagt Schnack. Dabei hält er die Idee für gut, nur die Art der Umsetzung eben nicht.

Die Idee sieht folgendermaßen aus: In den Themengebieten „öffentlicher Raum“ und „öffentliche Infrastruktur“ sollen ab sofort die Bürger ein Wort mitzureden haben (siehe Kasten). Sie sollen sich treffen, Probleme in ihrem Kiez erkennen und Vorschläge erarbeiten, wie das Geld im Haushalt zu verwenden ist. Soll die Bibliothek länger öffnen? Braucht der Spielplatz eine neue Rutsche? Fehlt an der Volkshochschule ein Angebot? Das sollen die Friedrichshainer und Kreuzberger nun selber entscheiden. So sollen sie einer direkten Demokratie ein Stück näher kommen.

Mit Hilfe eines Beamers, der PowerPoint-Folien mit blauem Hintergrund an die Wand in der Mensa wirft, versuchen die Redner, das zu vermitteln. Bürgermeister Franz Schulz (Die Grünen) wirbt um Zusammenarbeit: „Das ist auch für uns neu. Ich hoffe, dass dieser gemeinsame Lernprozess gelingt.“ Und BVVMitglied Joachim Pempel (Die Linke) fügt hinzu: „So sollen weitestgehend alle Interessen zur Geltung kommen.“

Allein den Bürgern fehlte der Glaube an diesem Abend. „Es grenzt schon an Zynismus, in einer Zeit, in der die Mittel gegen Null tendieren, die Bürger zu beteiligen“, kritisiert Achim Appel. Er ist in der Bürgerinitiative „Rettet die Bäume am Landwehrkanal“ aktiv. Der Bezirk kann derzeit nur vorläufig wirtschaften, weil er im Streit mit dem Senat um Zuwendungen einen unausgeglichenen Haushalt vorgelegt hat. „Das schränkt ein, macht das Handeln aber nicht unmöglich“, gibt Schulz zu. Das Bezirksamt hat auch kein Budget vorgelegt, mit dem der Bürgerhaushalt arbeiten soll. Man wolle erst mit Inhalten arbeiten, heißt es zur Begründung.

Dafür müssten die Bürger informiert sein. Bereits im Oktober sollte eine Infobroschüre mit der Hauspost in alle Haushalte im Bezirk gelangen. Doch anscheinend hat sie nicht jeder bekommen. Ab Januar finden nun in den acht Regionen, in die der Bezirk aufgeteilt ist, Veranstaltungen statt. Auf denen sollen konkrete Vorschläge erarbeitet werden.

Darauf hofft auch Manuel Sahib. Er ist der Vorsitzende der Grünen in der BVV und gönnt sich am Freitagabend eine kleine Pause – aus dem Publikum gab es ordentlich Kritik, der Abend zog sich mächtig in die Länge.Matthias Jekosch

Matthias Jekosch

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