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Berlin: In der Mitte der Stadt wächst die SPD

In Pankow, Kreuzberg und der Rosenthaler Vorstadt wurden viele Neu-Mitglieder geworben

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

In der Mitte Berlins, zwischen Schiffbauer Damm und Arkonaplatz, erlebt die SPD ein kleines Wunder. Dort hat sich die Zahl der Parteimitglieder seit dem Jahr 2000 fast verdreifacht. Völlig gegen den Trend, denn der SPD-Landesverband leidet, wenn auch nicht ganz so schlimm wie die Bundespartei, unter schleichender Auszehrung. Doch im Ortsverband „Rosenthaler Vorstadt“, da tut sich was. „Raus aus den Hinterzimmern“, heißt die Devise.

Etwa 350 Mitglieder zählt die SPD-Abteilung inzwischen, und ist damit eine der großen und besonders erfolgreichen Parteigliederungen. Während die früheren Hochburgen der Berliner Sozialdemokratie – Spandau, Neukölln und Reinickendorf – bröckeln, wird im Zentrum der Hauptstadt nach neuen Wegen gesucht, Menschen für die Parteipolitik zu begeistern. Natürlich profitieren die Genossen, das gibt der Abteilungsvorsitzende Ulrich Davids offen zu, von der günstigen Lage. „Die Rosenthaler Vorstadt ist ein beliebtes Zuzugsgebiet für Neu-Berliner, auch für Mitarbeiter von Bundesbehörden, das ist unser Glück.“

Deshalb steht nicht nur der Senatssprecher Michael Donnermeyer, der im Kiez wohnt, auf der Mitgliederliste. Auch persönliche Referenten von Bundesministern, Mitarbeiter von Bundestagsabgeordneten, Geschäftsführer und Rechtsanwälte zahlen dort ihre Beiträge. Eva Högl zum Beispiel, die über europäische Sozialpolitik promovierte und sich im Wirtschaftsministerium um das EU-Arbeitsrecht kümmert, ist Vize-Vorsitzende der SPD-Abteilung. Sie stammt aus Osnabrück. Ihr Parteifreund Davids ist Sozialpädagoge und kam vor zehn Jahren aus Braunschweig nach Berlin. „Aber wir sind kein Hauptstadt-Verein“, sagt er. Die Mischung macht’s, auch ganz normale Arbeitnehmer, kleine Mittelständler und viele junge Leute machen in der Rosenthaler Vorstadt für die SPD Politik.

Und was ist das Erfolgsrezept? Die monatliche Abteilungsversammlung im Restaurant Honigmond ist für jeden offen, auch für Nichtmitglieder. Regelmäßig gibt es einen Stammtisch im Hackethals und viele Genossen sind im Kiez fest verankert, haben dort einen kleinen Laden oder machen in den großen Bürgerinitiativen mit, deren Aktionsfeld die Drogenprobleme im Weinbergspark oder der Ausbau der Invalidenstraße sind. Es gibt Gastmitgliedschaften für 2,50 Euro pro Monat und Davids hält systematisch Kontakt zu SPD-Sympathisanten. „Denen erkläre ich, wie so eine Partei überhaupt funktioniert.“ Im Zuge der Gesundheitsreform wurden Ärzte aus der Nachbarschaft zur Diskussion eingeladen. Die waren mit der SPD nicht besonders zufrieden, fanden es aber gut, dass die Genossen den Kontakt gesucht hatten.

Fahrradtouren, Feste, gemeinsamer Sport und ein frischer Internetauftritt runden das Angebot der SPD in der Rosenthaler Vorstadt ab. Es ist wohl auch kein Zufall, dass der Gründungsaufruf für die neue, reformerische Parteigruppierung „Aufbruch Berlin“ von dort aus gestartet wurde. Gleich zu Beginn des programmatischen Papiers wird Willy Brandt zitiert: „Nichts kommt von selbst, und nur wenig ist von Dauer.“

Nicht weit weg, zum Beispiel in Alt-Pankow, in Prenzlauer Berg und im Boxhagener Kiez (Kreuzberg) gibt es ähnliche Versuche, die ehrwürdige SPD vor allem für jüngere Menschen attraktiv zu machen. Der Kreisverband Pankow, der vor zehn Jahren noch 840, jetzt aber 1350 Mitglieder zählt, ist ein Erfolgsmodell geworden. „Im Bezirk gibt es viele Leute, auch viele Akademiker, die nach politischer Betätigung und Orientierung suchen“, sagt der SPD-Kreischef Alexander Götz, ein gestandener Linker, der im Internationalen Institut für Staats- und Europawissenschaften tätig ist. Und die Berliner Abgeordnete Claudia Tietje, 33 Jahre alt, weist auf die „extrem flache Hierarchie“ in ihrer Abteilung „Prenzlauer Berg 2“ hin. Alle könnten sich einbringen, „wir sind für jede Idee und Schandtat bereit“. Und die Vorstandssitzungen sind für alle Mitglieder offen.

Die Mitte Berlins ist wohl ein gutes Pflaster für die SPD, denn auch im östlichen Kreuzberg sind Zuwächse zu verzeichnen. Stadtweit sieht es aber düster aus. So ist der SPD-Landesverband seit 1995 von 23 358 auf 16 613 (Sommer 2006) Mitglieder geschrumpft. Da tröstet es die Genossen wenig, dass auch die anderen Parteien, außer den Grünen, kräftig Federn lassen mussten.

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